Besitzt du noch oder erlebst du schon?

- Michael Wagner –

Da Menschen mehr über Erlebniskäufe als materielle Käufe sprechen, ziehen sie langfristig mehr Zufriedenheit daraus.

Max hat vor kurzem sein erstes Monatsgehalt ausbezahlt bekommen. Von dem Geld möchte er sich nun etwas Schönes leisten. In der engeren Auswahl stehen eine Urlaubsreise nach Rom und eine neue Stereoanlage. Nach einigem Überlegen kommt er zu dem Schluss, dass ihn die Anschaffung einer neuen Stereoanlage langfristig zufriedener machen wird. Liegt Max richtig?
Aus Sicht sozialpsychologischer Forschung könnte sich Max irren. Denn „Erlebniskäufe“, also Investitionen in Erlebnisse wie eine Urlaubsreise, scheinen bei Menschen langfristig zu einer höheren Zufriedenheit zu führen als materielle Käufe, wie der Erwerb einer neuen Stereoanlage. Dies mag zunächst paradox klingen, denn der Urlaub ist ja schon nach einigen Tagen vorbei, während eine Stereoanlage meist mehrere Jahre im Wohnzimmer steht. Wie lässt sich dieses Paradox also auflösen?

Bisherige Forschung konnte zeigen, dass es Personen als belohnender empfinden, ihren Mitmenschen von ihren Erlebnissen anstatt von ihrem materiellen Besitz zu erzählen. Denn während materielle Güter länger in Raum und Zeit bestehen bleiben, existieren vergangene Erlebnisse ausschließlich in der Erinnerung. Um sie anderen nahezubringen, muss also über sie berichtet werden. Durch diesen sozialen Austausch wird nicht nur die Verbindung zu den Mitmenschen gestärkt. Vielmehr werden die Erlebnisse beim Erzählen auch nochmal neu durchlebt. Dabei werden die positiven Aspekte des Erlebten oft noch etwas ausgeschmückt. Durch dieses mehrmalige, positivere Erinnern und Berichten werden Erlebnisse im Vergleich zu materiellen Besitztümern meist ein stärkerer Teil der Identität einer Person. Letztlich führt das Erzählen über positive Erlebnisse häufig zu gesteigertem Wohlbefinden.

Auf diesen Befunden aufbauend, nahmen Amit Kumar und Thomas Gilovich an, dass Menschen mehr über ihre Erlebniskäufe als über ihre materiellen Anschaffungen erzählen. Dies sollte wiederum ihre sozialen Bindungen sowie die Bedeutung der Erlebniskäufe für ihre Identität stärken und so schließlich eine höhere Zufriedenheit nach Erlebniskäufen zur Folge haben.

Um ihre Annahmen zu überprüfen, führten die Wissenschaft­ler eine Onlineumfrage durch. Die Teilnehmenden wurden zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt und sollten entweder ihren wichtigsten materiellen oder wichtigsten Erlebniskauf der letzten 5 Jahre notieren. Zudem wurden sie gefragt, wie oft sie mit anderen über diesen Kauf gesprochen hatten und wie zufrieden sie nun mit selbigem waren.

Wie erwartet berichteten die Teilnehmenden, die zu ihrem Erlebniskauf befragt worden waren, häufiger als die übrigen Partizipierenden, über ihren Kauf erzählt zu haben. Das häufigere Erzählen führte letztlich zu einer höheren Zufriedenheit. Diese Befunde zeigten sich unabhängig von den Kosten der Investitionen. In einer weiteren Studie konnte zudem dargelegt werden, dass Personen auch dann mehr über Erlebniskäufe als materielle Anschaffungen berichten, wenn selbige in der Zukunft liegen, was ebenfalls zu einer stärkeren Zufriedenheit im Hier und Jetzt führt.

Die Studien weisen also auf, dass Investitionen in Erlebnisse zu mehr Zufriedenheit führen können als materieller Konsum. Max sollte sein Gehalt demnach lieber in die Reise nach Rom investieren. Denn seinen FreundInnen von den Plänen zu berichten und nach dem Urlaub die schönsten Geschichte erzählen zu können, sollte ihn langfristig zufriedener machen als der Kauf einer Stereoanlage.

Kumar, A., & Gilovich, T. (2015). Some “thing” to talk about? Differential story utility from experiential and material purchases. Personality and Social Psychology Bulletin, 41, 1320–1331. doi: 10.1177/0146167215594591

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Bianca von Wurzbach*, Sebastian Butz

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