Das Einmaleins des Feilschens

- Amelie Pettrich & Janin Rössel –

Präzise Angebote wirken plausibler als runde Preise und können so einen stärkeren Einfluss auf den Ausgang von Verhandlungen haben.

Frau Schulz zieht um und muss schweren Herzens den alten Schreibtisch ihrer Urgroßeltern verkaufen. Morgen kommen die ersten Interessenten vorbei; es wird also ernst. In ihrer Anzeige stand „Preis auf Verhandlungs­basis“ – aber wie soll Frau Schulz den Ausgangspreis am besten setzen? Das gute Erbstück ist schließlich 100 Jahre alt und sie will es nicht unter Wert verkaufen...

Das erste Angebot in Verhandlungen kann laut bisheriger Forschung in der Tat entscheidend sein. Höhere Angebote führen in der Regel zu höheren Verkaufspreisen, denn das Gegenangebot orientiert sich meist am genannten Preis. Zudem kann ein höherer Preis dazu führen, dass ein Produkt als wertvoller wahrgenommen wird. Eine Antiquität für 1200 Euro scheint doch direkt mehr wert zu sein, als ein Stück, das für 900 Euro angeboten wird. Aber man sollte es nicht übertreiben! Denn extreme Preise können schnell unrealistisch wirken.

Wenn extreme Preise aber präzise statt grob gerundet sind (also 1185 statt 1200 €), können sie laut einem Forschungs­team um David Loschelder wieder viel realistischer erscheinen. Die Forscher nehmen an, dass präzise Preise plausibler wirken. Sie erwecken den Eindruck, dass sich jemand genaue Gedanken gemacht hat und in dem Gebiet auskennt. Davon sollten insbesondere Verkaufsangebote profitieren, die eigentlich zu hoch angesetzt sind. Parallel sollten auch Kaufinteressenten bei niedrigen Gegenangeboten mit präzisen Werten einen Vorteil erzielen.

Ihre Annahmen untersuchte das Forschungs­team in einem Antiquitätenladen. Der Eigentümer lud BesucherInnen zu einer „Verhandlungs­studie“ ein, bei der sie einen Jugendstil-Schreibtisch von 1910 bewerten sollten. Alle Teilnehmenden erhielten die gleichen Informationen zu dem Schreibtisch, nur der Ausgangspreis wurde variiert. So sah eine Hälfte der Befragten ein extremes Anfangsangebot während die andere ein moderates bekam. Diese Angebote waren zudem entweder rund (1200 oder 900€) oder präzise (1185 oder 885€). In einem Fragebogen sollten die Teilnehmenden angeben, zu welchem Preis sie den Schreibtisch kaufen würden und für wie plausibel sie das Anfangsangebot hielten.

In den Antworten zeigte sich zunächst der schon bekannte Effekt – ein hohes Anfangsangebot führte dazu, dass die Befragten im Schnitt mehr Geld für den Schreibtisch ausgeben würden als bei einem moderaten Angebot: Unabhängig davon ob der Preis präzise oder gerundet war, gaben die Befragten nach dem moderaten Angebot im Schnitt nur einen möglichen Kaufpreis von ca. 760 Euro für den Schreibtisch an. Bei dem extremen Angebot von 1200 Euro wichen die Teilnehmenden zwar stärker vom Anfangspreis ab, gaben aber immerhin im Mittel einen Kaufpreis von ca. 930 Euro an. War das extreme Angebot jedoch präzise (also 1185€), orientierten sie sich wesentlich stärker daran und gaben durchschnittlich einen Kaufpreis um die 1050 Euro an! Kein Wunder, denn der präzise, extreme Preis wurde tatsächlich als plausibler wahrgenommen.

Um ihren Schreibtisch für gutes Geld zu verkaufen, sollte Frau Schulz also einen präzisen und recht hohen Preis nennen, der nicht gänzlich unrealistisch sein sollte. Gleichermaßen sollte sie aufpassen, dass sie sich nicht von niedrigen präzisen und dadurch plausibel scheinenden Gegenangeboten beirren lässt. Die Einschätzung des angemessenen Wertes durch eine Expertin oder einen Experten kann hier Sicherheit geben.

Loschelder, D. D., Stuppi, J., & Trötschel, R. (in press). „€14,875?!“: Precision boosts the anchoring potency of first offers. Social Psychological and Personality Science.

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