Das Geheimnis des Erfolgs

- Ulrike Rangel –

Was die Besten von den Guten unterscheidet, ist Durchhaltevermögen.

Jedes Jahr pünktlich zu Weihnachten bekomme ich eine Einladung zum Klassentreffen meines ehemaligen Abitur­jahrgangs. Das Spannendste für mich an diesen Veranstaltungen ist es zu sehen, was aus meinen früheren Mitschülern geworden ist. Besonders interessant sind dabei jene Fälle, die sich konträr zu meinen Erwartungen entwickelt haben – zum Beispiel der Klassenüberflieger, der jetzt sein Arbeits­leben in einem kleinen Büro fristet oder der eher mittelmäßige Schüler, der zum führenden Geschäftsmann aufgestiegen ist. Warum ist der Eine erfolgreicher als der Andere?

Lange Zeit galt es in der Psychologie als gegeben, dass vor allem Eines die Errungenschaften einer Person determiniert: ihre kognitiven Fähigkeiten, sprich: die Intelligenz. Tatsächlich gibt es zahllose Belege dafür, dass die intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen in hohem Maße mit seinen Leistungen und Erfolgen – z.B. in Ausbildung und Beruf – zusammenhängen. Wer in standardisierten Verfahren zur Messung der Intelligenz gut abschneidet, besitzt im Durchschnitt bessere Schulnoten, einen höheren Bildungs­grad und zeigt bessere berufliche Leistungen. Diese Vorhersage des persönlichen Erfolgs allein durch die kognitiven Fähigkeiten eines Individuums stößt jedoch an Grenzen. Insbesondere, wenn man verstehen will, warum manche Menschen außergewöhnliche Leistungen vollbringen, reicht die Intelligenz als Erklärung nicht aus: Genies wie Albert Einstein oder Charles Darwin zeichneten sich zwar durch große kognitive Fähigkeiten aus, allerdings ist der Abstand zur „Normalbevölkerung“ nicht so groß, als dass allein dadurch die herausragenden Leistungen dieser Forscher erklärt werden könnten. Was unterscheidet also die Besten in einem Bereich von den „nur“ Guten?

Die Forscherin Angela Duckworth (University of Pennsylvania) ging exakt dieser Frage nach. Ihre Studien zeigen, dass neben der Intelligenz eine weitere Eigenschaft zentral sein könnte, um erfolgreich zu sein: das Durchhaltevermögen einer Person – also ihre Fähigkeit, sich für langfristig gesteckte Ziele zu begeistern und diese mit Ausdauer und Beharrlichkeit zu verfolgen, auch gerade dann, wenn es Hindernisse zu überwinden gilt. Duckworth untersuchte diese Fähigkeit bei unterschiedlichen Gruppen von Personen. Vor allem führte sie dabei Befragungen bei Menschen mit eher über­durchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten durch: Bei Studierenden einer der besten Universitäten in den USA, Kadetten einer Elitemilitärakademie und Kindern, die am Finale eines renommierten internationalen Buchstabierwettbewerbs teilnahmen. Die Fähigkeit zum Durchhalten erfasste die Forscherin mit einer eigens entwickelten Skala, die Aussagen wie „Ich bringe zu Ende, was ich anfange“ oder „Von Rückschlägen lasse ich mich nicht entmutigen“ enthielt.

Die Ergebnisse von Duckworths Studien zeigen einerseits, dass sich das Durchhaltevermögen einer Person sichtbar in ihrem Verhalten widerspiegelt: Erwachsene mit hohem Durchhaltevermögen wechselten beispielsweise viel seltener ihren Beruf und unter den Militärkadetten hielten diejenigen das harte Sommertraining der Akademie eher durch, die hohe Werte auf Duckworths Skala aufwiesen. Zudem weisen die Studien­ergebnisse darauf hin, dass sich eine große Beharrlichkeit tatsächlich auszahlt: So hatten Studierende, die an ihren Zielen festhielten und auch bei Schwierigkeiten nicht aufgaben, deutlich bessere Noten und Kinder, die ein hohes Durchhaltevermögen aufwiesen, platz­ierten sich beim Buchstabierwettbewerb auf den höheren Rängen.

Interessant ist jedoch vor allem, dass die Fähigkeit zum Durchhalten in den Studien von Duckworth nicht mit den intellektuellen Fähigkeiten der Studien­teilnehmerInnen verknüpft war: Es waren also nicht unbedingt die Intelligenteren, die das größere Durchhaltevermögen aufwiesen. Das bedeutet, dass die Personen, die hartnäckig und ausdauernd an ihren Zielen festhielten, unabhängig von ihren kognitiven Fähigkeiten größere Erfolge erzielten. Gleichzeitig – und das ist die gute Nachricht – deuten Duckworths Studien darauf hin, dass das Durchhaltevermögen von Personen grundsätzlich veränderbar ist und erlernt werden kann, denn ältere Erwachsene zeigten sich im Durchschnitt durchhalte­fähiger als jüngere. Das Geheimnis des Erfolgs ist demnach zumindest teilweise trainierbar und wird uns nicht in die Wiege gelegt. Für meinen ehemaligen Mitschüler, den Klassenüberflieger, besteht also noch Hoffnung.

Duckworth, A. L., Peterson, C., Matthews, M. D., & Kelley, D. R. (2007). Grit: Perseverance and passion for long-term goals. Journal of Personality and Social Psychology, 92, 1087-1101.

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