Das Positive an negativen Emotionen

- Julia Trapp –

Das Äußern negativer Gefühle führt zu Hilfe­verhalten.

Es gibt viele Dinge, die man zunächst einmal mit sich selbst ausmachen will. Wer zum Beispiel gerade einen Korb vom Mann oder der Frau seiner Träume bekommen hat, ist selten erpicht darauf seinen Freunden brühwarm davon zu erzählen – aus Angst davor, dass sie möglicherweise durch ihre Kommentare noch mehr in der Wunde bohren könnten. Andererseits wäre es manchmal auch einfacher doch darüber zu reden und nicht so tun zu müssen, als wäre nichts passiert. Wenn wir allerdings das verständnisvolle Ohr unserer Freunde zu oft in Anspruch nehmen, könnte das ja auch die Beziehung zu ihnen belasten.

Der weit verbreitete Glauben, dass schlecht gelaunte Menschen andere Personen in ihrer Umgebung mit ihren negativen Emotionen anstecken, wurde auch von bisheriger Forschung bestätigt. Demnach werden Menschen, die immer wieder situations­unangemessen und gegenüber Personen, die sie kaum oder gar nicht kennen ihre negativen Emotionen äußern, von anderen eher als weniger sozial und beliebt eingeschätzt.

Umso erstaunlicher sind die Befunde von Steven M. Graham und seinen Kollegen. Die Forscher bestätigten in einer Studie an Studierenden folgende Vermutung: Wenn wir anderen gegenüber situations­angemessen unsere negativen Emotionen äußern, führt das dazu, dass sie uns helfen wollen – nicht jedoch dazu, dass sie uns dann nicht mehr mögen.

Im Fall ihrer Studie konnte eine junge Frau, die innerhalb kurzer Zeit eine Rede vorbereiten sollte, eher auf Hilfe hoffen, wenn sie ihre Nervosität eingestand, als wenn sie nichts sagte. Zudem wurde die junge Frau nicht etwa als weniger sympathisch beurteilt, wenn sie darüber sprach, wie nervös sie war.

Es könnte sogar sein, dass das Äußern negativer Emotionen auf Dauer positive Wirkungen auf Beziehungen haben kann: Diejenigen Studierenden, die generell eher dazu bereit waren anderen ihre negativen Emotionen mitzuteilen, konnten in Grahams Studien sowohl eine größere Anzahl an Bekannten, als auch eine größere Intimität in ihren engen Beziehungen berichten. Das könnte daran liegen, dass das Reden über uns belastende Dinge unserem Gegenüber zeigt, dass wir ihm Vertrauen entgegenbringen. Dieses beidseitig erlebte Vertrauen könnte auf Dauer zu mehr Intimität führen. Dieser Effekt kann aber nur auftreten, da wir nicht Fremden unsere negativen Emotionen berichten, sondern engen Freunden oder unserem Partner. Zudem sind solche Gespräche von beiden Seiten erwünscht und finden in der richtigen Situation statt.

Oft geht es uns ähnlich wie der jungen Frau in der Studie. Würden wir unseren Freunden doch von der Zurückweisung durch die Traumfrau oder den Traummann erzählen, kämen mit großer Wahrscheinlichkeit keine blöden Sprüche oder Frotzeleien, vielmehr würden wir auf Verständnis treffen und emotionale Unterstützung erhalten. Also verstehen uns andere Menschen doch meistens besser als wir es erwarten würden.

S. M. Graham (2008). The Positives of Negative Emotions: Willingness to Express Negative Emotions Promotes Relations­hips. Personality and Social Psychology Bulletin, 34, 394- 406.

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