Das Unterbewusstsein wählt mit

- Mareike Wickop –

Automatische mentale Assoziationen beeinflussen die Entscheidungen unentschlossener Wähler.

„Ich weiß noch gar nicht, wen ich am Sonntag wählen soll.“ – Zitat eines Ehemanns, der am Freitagabend vor dem anstehenden Wahlwochenende mit seiner Frau über politische Ansichten diskutiert. Obwohl er sich erst jetzt über die Wahl Gedanken zu machen scheint, ist es gut möglich, dass er sich bereits für einen Kandidaten entschieden hat – nämlich unterbewusst. Wie kann denn das sein?

Eine weit verbreitete Ansicht ist, dass Entscheidungs­prozesse derart ablaufen, dass verschiedene Möglichkeiten sorgfältig geprüft und bewertet werden, und anschließend bewusst die beste Alternative gewählt wird. Forscher aus Italien und Kanada zeigten nun, dass auch das Unbewusste eine wesentliche Rolle bei solchen Entscheidungs­prozessen spielt. Scheinbar Unentschlossene können sich demnach bereits für eine Wahlalternative entschieden haben, obwohl sie es bewusst noch gar nicht wissen. Ein Forschungs­team um die Psychologin Silvia Galdi konnte zeigen, dass sogenannte automatische mentale Assoziationen von Wählern deren spätere Entscheidungen gut vorhersagten.

Automatische mentale Assoziationen sind nicht kontrollierbare und meist unbewusste Reaktionen auf bestimmte Sachverhalte. Wissen ist in unserem Kopf in Form von Netzwerken repräsentiert: Sachverhalte, die für uns zusammenhängen (z.B. „Rose“ -- „rot“), sind dort miteinander verbunden. Je stärker zwei Aspekte miteinander assoziiert werden, d.h. je enger diese Verbindung ist, desto schneller fällt uns der andere Aspekt der Verbindung (z.B. „rot“) ein, wenn der eine Aspekt (z.B. „Rose“) genannt wird. Durch die Erfassung von Reaktions­zeiten kann also gemessen werden, wie stark bestimmte Aspekte – z.B. verschiedene Kandidaten bei einer anstehenden Wahl  – unbewusst in unserem Kopf mit positiven und negativen Assoziationen verbunden sind. Je schneller uns etwas Gutes einfällt, wenn uns ein bestimmter Wahlkandidat präsentiert wird, desto positiver sind wir – unbewusst – ihm gegenüber eingestellt.

Die Ergebnisse von Galdi und Kollegen zeigen, dass man mit diesen unbewussten Assoziationen tatsächlich das Wahl­verhalten unentschlossener Wähler vorhersagen kann: So wählten scheinbar unentschlossene Personen, die jedoch unbewusst positive Aspekte mit einem Wahlkandidaten in Verbindung brachten, diesen Kandidaten tatsächlich häufiger als Personen, die dem Wahlkandidaten gegenüber unbewusst eher negativ eingestellt waren.

Die zu einem späteren Zeitpunkt getroffenen Entscheidungen scheinbar Unentschiedener hängen demnach tatsächlich hoch mit zuvor ermittelten automatischen Assoziationen zusammen. Galdi und Kollegen nehmen an, dass unbewusste Präferenzen entweder unsere Wahrnehmung von Informationen oder die Gewichtung dieser Informationen verändern und dadurch unsere bewusste Entscheidung zugunsten des entsprechenden Standpunktes beeinflussen.

Und das Fazit? Würden Meinungs­forscher vor einer anstehenden Wahl die automatischen Assoziationen von unentschiedenen Wählern untersuchen, könnten sie das Wahlergebnis möglicherweise besser vorhersagen, so die Forscher.  Ein sorgfältiges Informieren und Abwägen von Pro und Kontra ist sicher immer ein guter Weg wichtige Entscheidungen zu fällen – wie zum Beispiel, wo man sein Kreuzchen im Wahllokal setzt. Dennoch wissen wir wohl manchmal schon, was wir wollen, bevor wir überhaupt anfangen, bewusst über Pro und Kontra nachzudenken.

Galdi, S, Arcuri, L., Gawronski, B. (2008). Automatic Mental Associations predict future choices of undecided decision-makers. Science 22, Vol. 321, 1100-1102.

© Forschung erleben 2008, alle Rechte vorbehalten

Zurück