Der „Fair Trade“-Effekt

- Marius Kristian Schmidt –

Der Hinweis auf eine ethisch korrekte Herstellung lässt uns Schokolade kalorienärmer einschätzen.

Winterzeit ist Schokoladenzeit. Wenn wir dieser Tage in den Super­markt gehen, erwartet uns eine nicht enden wollende Auswahl an Schokoladensorten. Doch wie gesund ist diese Schokolade überhaupt und durch welche Produktmerkmale werden wir bei unserer Einschätzung des Kaloriengehalts einer Tafel Schokolade beeinflusst? Immer häufiger begegnet uns auf Schokoladentafeln das Fair-Trade-Gütesiegel. Dieses kennzeichnet fair gehandelte Produkte, bei deren Herstellung also bestimmte soziale oder auch ökologische Kriterien eingehalten wurden.  Ein Forscherteam aus den USA und Frankreich ging der Frage nach, ob das Fair-Trade-Gütesiegel auch unsere Annahme, wie kalorienhaltig eine Schokoladensorte ist, beeinflusst.

In einer Onlinestudie wurde den Teilnehmenden ein Text über die fiktive Schokoladenmarke Petersen’s präsentiert, wobei der Name entweder mit oder ohne die Auszeichnung „Fair Trade“ dargeboten wurde. Anschließend wurden die ProbandInnen gebeten, den Kaloriengehalt der Petersen’s Schokolade im Vergleich zu anderen Schokoladensorten einzuschätzen. In Einklang mit den Erwartungen der Forscher zeigte sich, dass die Schokolade, die mit dem Fair-Trade-Gütesiegel gekennzeichnet war, als signifikant kalorienärmer eingestuft wurde als diejenige ohne dieses Zeichen. Der diesem Phänomen zugrunde liegende Effekt wird Halo-Effekt genannt – eine Eindrucksverzerrung dahingehend, dass aufgrund von bekannten positiven (negativen) Eigenschaften eines Objekts auch andere unabhängige Objektmerkmale als positiv (negativ) beurteilt werden. In unserem Beispiel bedeutet dies, dass von der Garantie eines ethisch korrekten Handels auf ein kalorienärmeres Produkt geschlossen wird.

Von diesen Er­kenntnissen ausgehend liegt die Vermutung nahe, dass bereits eine Produktbeschreibung, die den ethisch korrekten Handel des Produkts betont, ohne explizit den Modebegriff „Fair Trade“ zu verwenden, einen Halo-Effekt verursachen kann. Weiter lässt sich annehmen, dass insbesondere solche Personen dem Halo-Effekt unterliegen, denen ethisch einwandfrei hergestellte Produkte wichtig sind. Tatsächlich konnten auch diese Hypothesen in einer Folgestudie experimentell bestätigt werden. Hier führte die Beschreibung, dass die Schokolade unter Einhaltung ethischer Standards hergestellt worden sei, durchschnittlich sogar ausschließlich bei den Personen zu einer niedrigeren Kalorieneinstufung der Süßigkeit, denen ein ethisch einwandfreier Handel besonders wichtig war.

Die Forscher ziehen aus diesen Ergebnissen das Fazit, dass ein Fair-Trade-Versprechen bei den meisten Menschen zu einer niedrigeren Einstufung des Kaloriengehalts führt. Der Halo-Effekt ist jedoch ungleich stärker, wenn man sich den mit Fair Trade assoziierten ethischen Werten verbunden fühlt.

Welche Implikationen ergeben sich nun aus diesen Er­kenntnisse für unsere Bewertung von Schokolade? Wir sollten uns die Aussagekraft der verschiedenen Gütesiegel und Produktbeschreibungen vergegenwärtigen und uns dabei bewusst machen, welche Qualitätsmerkmale davon unberührt bleiben. Eine fair gehandelte Schokolade schützt also noch lange nicht vor den Fettpölsterchen, die sich insbesondere um die Weihnachtszeit gerne an den Hüften festsetzen.

Schuldt, J. P., Muller, D., & Schwarz N. (2012). The “Fair Trade“ effect: Health halos from social ethics claims. Social Psychology and Personality Science, 3, 581–589. doi:10.1177/1948550611431643.

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