„Der Glaube und das Gute im Menschen“

- Eliane Tröndle –

Insbesondere in Ländern, in denen man sich frei für eine Religion entscheiden kann, verhalten sich religiöse Menschen prosozialer als nicht-religiöse Menschen.

Alle Weltreligionen befürworten prosoziales Verhalten. So wird beispielsweise in der Bibel der barmherzige Samariter gewürdigt, der einem verwundeten Mann zur Hilfe kommt. In der Wissenschaft beschäftigt man sich daher schon lange mit der Frage, ob Religiosität, sprich der Glaube an Gott, sowie die Ausübung religiöser Praktiken, zu prosozialerem Verhalten führt, also zum Beispiel hilfsbereiter werden lässt. Die bisherigen empirischen Ergebnisse hierzu sind allerdings widersprüchlich. Nicht immer lässt sich ein entsprechender positiver Zusammenhang finden. 

Die Forschenden Olga Stavrova und Pascal Siegers versuchten diesen gemischten Ergebnissen auf den Grund zu gehen. Sie vermuteten, dass der kulturelle Zwang zur Religiosität hierbei eine bedeutende Rolle spielt. So unterschieden sie zunächst zwischen intrinsischer und extrinsischer religiöser Orientierung. Bei der ersten Form sind die Werte einer Religion, wie beispielsweise Nächstenliebe, stark verinnerlicht und führen somit oftmals zu prosozialerem Handeln. Bei der zweiten Form sind die Werte einer Religion hingegen weniger Bestandteil der eigenen Überzeugung und beeinflussen daher auch weniger das prosoziale Verhalten. Weiter konnte bisherige Forschung zeigen, dass Personen Werte eher verinnerlichen und sich an selbige gebunden fühlen, wenn  sie sich frei für sie entscheiden konnten, als wenn sie von außen vorgegeben wurden.  

Auf diesen Annahmen und Ergebnissen aufbauend, vermutete das Forschungs­team, dass in Ländern, in denen Religiosität frei zur Wahl steht, selbige die eigene Überzeugung widerspiegelt, also Ausdruck der intrinsischen Orientierung ist. Persönliche Religiosität und prosoziales Verhalten sollten demnach positiv zusammenhängen. In Ländern, in denen Religiosität hingegen von außen vorgegeben ist, sollte selbige weniger Ausdruck der inneren Haltung sein. Hier dürfte es also einen geringeren Zusammenhang zwischen persönlicher Religiosität und prosozialem Verhalten geben.

Um diese Hypothesen zu untersuchen, führte das Forschungs­team mehrere Studien durch. In einer ersten Untersuchung mit Daten aus 38 Ländern ließ sich zeigen, dass die eigene Religiosität (z.B. ob man regelmäßig in ein Gotteshaus geht) umso weniger die intrinsische Orientierung widerspiegelt (z.B. ob man das Leben nur wegen der Existenz Gottes für bedeutungs­voll hält), je stärker Religiosität kulturell aufgezwungen ist. 

Eine weitere Untersuchung wurde mit Daten aus 46 Ländern vorgenommen. Hier hatten die Teilnehmenden sowohl  Informationen über ihre Religiosität als auch über ihr Engagement in gemeinnützigen Organisationen bereitgestellt. Die Mitgliedschaft in einer solchen Organisation wurde als Indikator für prosoziales Verhalten angesehen. Die Ergebnisse zeigen, dass religiöse Personen häufiger Mitglied in gemeinnützigen Organisationen sind und sich somit prosozialer verhalten als nicht-religiöse Personen. Dieser Effekt ist insbesondere gegeben, solange Religiosität frei zur Wahl steht. Je stärker Religiosität jedoch in einem Land vorgegeben ist, desto geringer wird dieser Zusammenhang. 

Gemäß diesen Befunden lässt sich vermuten, dass Religiosität  hauptsächlich in Ländern ohne religiösen Druck zu prosozialerem Verhalten führt, da sie hier eine innere Überzeugung widerspiegelt. Um die positive Wirkung von Religiosität auf prosoziales Verhalten zu stärken, muss demnach religiöse Freiheit gegeben sein.

Stavrova, O., & Siegers, P. (2014). Religious prosociality and morality across cultures: How social enforcement of religion shapes the effects of personal religiosity on prosocial and moral attitudes and behaviors. Personality and Social Psychology Bulletin, 40, 315–333. doi:10.1177/0146167213510951

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