Der Reiz des Bösen

- David Grüning –

Menschen vergleichen sich gerne mit Personen, die ihnen ähnlich sind – unter bestimmten Umständen auch mit Bösewicht*innen.

In „Harry Potter und die Kammer des Schreckens” äußert Voldemort, dass Harry und er sich sehr ähnlich seien. Harry weist diese Aussage entschieden zurück. Die Reaktion des Protagonisten steht im Einklang mit bisheriger sozialpsychologischer Forschung: In der Regel vermeiden Menschen Vergleiche mit anderen Personen, wenn diese ähnliche negative Eigenschaften besitzen, wie sie selbst. Rebecca J. Krause und Derek D. Rucker zeigten nun aber, dass Personen unter bestimmten Umständen den Vergleich mit genau diesen Personen suchen, die ihnen hinsichtlich negativer Eigenschaften ähnlich sind.

Die Forschenden werteten zunächst Daten einer Internetplattform aus, auf der Besucher*innen ihr Persönlichkeits­profil mit dem von meist fiktiven Charakteren vergleichen konnten. In die Analyse wurden über 200.000 Nutzer*innen und knapp 4000 Charaktere eingeschlossen. Es zeigte sich, dass Nutzer*innen die fiktiven Charaktere umso mehr mochten, je ähnlicher ihnen diese hinsichtlich des Persönlichkeits­profils waren. Spannenderweise zeigte sich dieses Muster nicht nur bei guten Figuren (z.B. Sherlock Holmes), sondern auch bei bösen Charakteren (z.B. Darth Vader).

In weiteren Studien versuchten die Forschenden zu verstehen, unter welchen Umständen sich Menschen mit bösen Charakteren auseinandersetzen und vergleichen. Dazu sollten Versuchsteilnehmende in einer Studie einen fiktiven Film bewerten. Einem Teil der Befragten wurde vorab gesagt, dass die böse Hauptfigur des Films ihnen sehr ähnlich sei, der andere Teil erhielt lediglich eine Beschreibung des Films. Zusätzlich wurde variiert, ob man sich vorstellen sollte, den Film allein anzusehen oder bei einem ersten Date. Wurde vorab eine Ähnlichkeit mit dem bösen Charakter nahegelegt, fiel die Präferenz für den Film deutlich geringer aus, wenn er im Rahmen eines Dates (vs. allein) geschaut werden sollte. Die Forschenden folgerten daraus, dass Ähnlichkeiten mit bösen Charakteren nur dann abgeglichen werden, wenn dieser Vergleich keine Bedrohung für das Selbstbild darstellt. Und bei einem Date ist es uns in der Regel sehr wichtig, ein möglichst gutes Bild abzugeben. In einer weiteren Studie zeigten die Forschenden außerdem, dass Menschen sich mit Ähnlichkeiten zu bösen Charakteren auseinandersetzen, weil sie diesen Vergleich als relevant erleben.

Wir mögen also böse Charaktere, wenn diese uns ähnlich sind, weil sie dann relevanter für uns sind. Dies gilt allerdings nur, wenn wir durch diesen Vergleich keine Bedrohung des Selbstbildes befürchten müssen. Mit diesen Einsichten können wir nun auch genauer beantworten, warum Harry Potter sich so entschieden von Lord Voldemort distanziert, als dieser ihre Ähnlichkeit aufzeigt: Der dunkle Zauberer stellt für Harry keinen entfernten, fiktiven Charakter dar, sondern eine Bedrohung für sein Selbstbild. Die Befunde können zudem eine Erklärung für das Phänomen bieten, weshalb wir so gerne Krimis lesen, Podcasts über Verbrechen hören oder Filme mit Bösewicht*innen ansehen.

 

Krause, R. J., & Rucker, D. D. (2020). Can bad be good? The attraction of a darker self. Psychological Science, 31(5), 518–530. https://doi.org/10.1177/0956797620909742

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Michael Barthelmäs¹, Lucia Boileau

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