Diät: Rückblickend (k)ein Erfolg?

- Jonathan Wörm –

Der Gedanke daran, dass man sich in der Vergangenheit ungesünder hätte ernähren können, lässt Personen ihre Diät weniger streng verfolgen.

Da allmählich wieder wärmere Temperaturen den Frühling ankündigen, werden wie jedes Jahr bald viele Menschen versuchen, ihren Winterspeck loszuwerden. Diäten beinhalten dabei häufig auch den Verzicht auf Süßwaren. Oftmals schaffen wir es allerdings nicht, konsequent dem Genuss von Süßem zu entsagen. Doch warum fällt es uns – trotz aller guten Vorsätze – so schwer, das Naschen zu reduzieren?

Bisherige Er­kenntnisse haben gezeigt, dass Personen das „Sündigen“ in der Gegenwart häufig mit dem Verweis auf bereits erreichte Abnehmerfolge in der Vergangenheit rechtfertigen. Das Forscherteam um Daniel Effron nahm darüber hinaus an, dass auch das Naschen in der Vergangenheit als Rechtfertigung für ungesundes Verhalten in der Gegenwart herangezogen werden kann – und zwar durch die Vorstellung, man hätte in der Vergangenheit noch ungesünder handeln können als tatsächlich geschehen. Beispielsweise könnte sich eine Person als abendlichen Nachtisch ein Eis genehmigen und dies damit rechtfertigen, dass sie zwar mittags schon eine halbe Schachtel Kekse gegessen hat, es aber noch schlimmer gewesen wäre, die ganze Schachtel zu verdrücken.

Das Forscherteam untersuchte diese Annahme an Personen, die ihr Körpergewicht reduzieren wollten. Alle Befragten sollten zunächst angeben, welche ungesunden, die Gewichtsabnahme verhindernden Handlungen sie in der letzten Woche durchgeführt hatten. Die Hälfte der Teilnehmenden sollte anschließend notieren, welche weiteren ungesunden Verhaltensweisen sie in der letzten Woche hätten durchführen können, dies jedoch unterlassen hatten. Das Forscherteam bezeichnet diese imaginären, nicht ausgeführten ungesunden Verhaltensweisen als „kontrafaktische Sünden“. Die andere Hälfte der ProbandInnen sollte hingegen schöne Ereignisse der letzten Woche beschreiben. Anschließend sollten alle Befragten angeben, welche Handlungen sie in der nächsten Woche ausführen wollten, um Körpergewicht zu verlieren.

Erleichterten es die „kontrafaktischen Sünden“ den ProbandInnen, ihre Ernährungs­ziele zu lockern? In der Tat zeigte sich, dass Personen, die sich noch „sündhafteres“ Verhalten vorgestellt hatten, weniger Handlungen zur Gewichtsreduktion für die nachfolgende Woche planten als Personen, die schöne Erlebnisse beschrieben hatten. Sogar als die Teilnehmenden eine Woche später befragt wurden, wie viele Handlungen zur Gewichtsreduktion sie in den vergangenen Tagen tatsächlich ausgeübt hatten, zeigte sich der Unterschied: Durchschnittlich hatten die Personen, die sich die „kontrafaktischen Sünden“ vorgestellt hatten, auch tatsächlich weniger gewichtsreduzierende Verhaltensweisen praktiziert als die übrigen Teilnehmenden.

Die Studie zeigt, dass Personen ungesundes Verhalten nicht nur dadurch rechtfertigen können, dass sie sich zuvor gesund verhalten haben. Es genügt auch die Vorstellung, man hätte sich vorab noch schlechter ernähren können, als man es tatsächlich getan hat, um sich erneut Süßes zu genehmigen. Wer abnehmen möchte, sollte sich also nicht darauf konzentrieren, was in der Vergangenheit gut gemacht wurde oder hätte schlechter gemacht werden können. Um dauerhaft Pfunde purzeln zu lassen, ist vielmehr entscheidend, was im Hier und Jetzt passiert.

Effron, D. A., Monin, B., & Miller, T. D. (2013). The unhealthy road not taken: Licensing indulgence by exaggerating co­unterfactual sins. Journal of Experimental Social Psychology, 49, 573–578.

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