Dialog statt Spaltung
Politische Diskussionen können anstrengend sein, vor allem dann, wenn unterschiedliche Meinungen zu kontroversen Themen aufeinandertreffen. Um Stress und Konflikte zu vermeiden, gehen viele Menschen solchen Gesprächen lieber aus dem Weg. Doch sind diese negativen Erwartungen gerechtfertigt? Dieser Frage gingen die Forschenden Kristina Wald, Michael Kardas und Nicholas Epley im Rahmen von drei Experimenten nach. Besonders interessierte das Forschungsteam, welche Erwartungen dazu führen, Diskussionen über kontroverse Themen mit Fremden zu vermeiden, und ob diese Erwartungen der Realität solcher Gespräche entsprechen.
Im ersten Experiment schätzten die Teilnehmenden hypothetische Gespräche mit Fremden über kontroverse politische Themen als weniger angenehm ein, wenn die Meinung des Gegenübers von der eigenen abwich. Dies äußerte sich auch in einem größeren Bedürfnis, solche Gespräche zu vermeiden. Ein Austausch mit Personen, die die eigene Meinung teilen, wurde hingegen als deutlich positiver bewertet und als wünschenswerter empfunden.
Im zweiten Experimentuntersuchten die Forschenden, ob sich diese Erwartungen in realen Gesprächen bestätigen.Dazu sollten die Teilnehmenden vor einem Gespräch mit einer anderen Person im Forschungslabor ihre Erwartungen an das Gespräch äußern und anschließend angeben, wie sie den Austausch tatsächlich empfunden hatten. Dabei wurden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von drei Gruppen zugeordnet: Sie wussten entweder, dass ihr Gegenüber die gleiche Meinung wie sie vertrat, anderer Meinung war, oder sie erhielten keine Information darüber. Insgesamt unterschätzten alle Teilnehmenden, wie positiv das Gespräch verlaufen würde – am stärksten jedoch die Gruppe, die mit einer gegenteiligen Meinung konfrontiert war.
Im dritten Experiment zeigte sich als möglicher Grund für diese unrealistisch negativen Erwartungen, dass wir positive soziale Aspekte von Gesprächen unterschätzen, wie beispielsweise die Verständigung auf einen gemeinsamen Nenner. Die Teilnehmenden wurden zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt: einer Dialog-Gruppe, in der sich die Teilnehmenden mit einer anderen Person unterhielten, oder einer Monolog-Gruppe. In der Monolog-Gruppe nahmen die Teilnehmenden zunächst ein Video von sich selbst auf, in dem sie ihre Meinung zu einem kontroversen Thema äußerten. Anschließend sahen die Teilnehmenden ein entsprechendes Video einer anderen Person. Die Art der Interaktion (Dialog oder Monolog) hatte keinen Einfluss auf die Erwartungen an den Austausch, wohl aber auf dessen anschließende Bewertung: Insbesondere wenn es um Meinungsverschiedenheiten ging, wurden als Dialog geführte Gespräche im Nachhinein als positiver bewertet.
Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten zeigen, dass hinter der Tendenz, kontroverse politische Diskussionen zu vermeiden, ungerechtfertigt negative Erwartungen stehen können. Dies kann dazu führen, dass weniger Gespräche zwischen Menschen mit unterschiedlichen politischen Meinungen stattfinden. Wertvolle Gelegenheiten einander besser zu verstehen, voneinander zu lernen und Konsens zu finden, könnten dadurch verloren gehen. Es könnte sich also lohnen, bewusst das Beste zu erwarten und nicht vor Gesprächen mit Personen anderer Meinung zurückzuschrecken.
Wald, K. A., Kardas, M. & Epley, N. (2024). Misplaced divides? Discussing political disagreement with strangers can be unexpectedly positive. PsychologicalScience, 35(5), 471–488. https://doi.org/10.1177/09567976241230005
Redaktion und Ansprechpartner*in¹:Lea Nahon ¹, Dominik Stöckle
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