Die (Be-)Deutung unserer Träume

- Christiane Schöl –

Wir halten unsere Träume vor allem dann für bedeutsam, wenn sie unseren Überzeugungen und Wünschen entsprechen.

Welche der folgenden Aussagen trifft Ihrer Meinung nach am ehesten zu? Unsere Träume…
A) …helfen uns, alltägliche Informationen zu verarbeiten und dadurch Probleme besser lösen zu können.
B) …helfen uns unnötige Informationen des Tages auszusortieren und so ein Informations­chaos in unserem Kopf zu vermeiden.
C) …sind ein reines Beiprodukt unserer Gehirnaktivitäten und haben keine besondere Bedeutung.
D) …offenbaren uns unbewusste Gefühle, zu denen wir sonst kaum Zugang haben.

Über die Funktion unserer Träume streiten Wissenschaft­lerInnen  schon lange, und es gibt BefürworterInnen aller vier Alternativen. Wenn Sie jedoch Alternative D gewählt haben, dann entspricht Ihre Antwort der Mehrheit von Befragten in einer Studie von Carey Morewedge und Michael Norton. Die Forscher befragten Personen in den USA, Südkorea und Indien und konnten zeigen, dass Menschen unabhängig von der eigenen Kultur dem Glauben anhängen, dass unsere Träume einen tiefer liegenden Sinn haben und nicht nur unseren Alltag widerspiegeln oder überhaupt keine eigenständige Bedeutung haben.

Wie viel Bedeutung aber würden Sie einem Traum von einem Flugzeugabsturz beimessen, wenn Sie ihn in der Nacht vor einer geplanten Flugreise träumten? Würden Sie trotzdem ins Flugzeug steigen? Die Befragten in der Studie von Morewedge und Norton gaben an, dass sie ein solcher Traum mit einer ebenso großen Wahrscheinlichkeit von ihren Reiseplänen abhielte wie die Nachricht über einen tatsächlichen Absturz auf der geplanten Reiseroute und sie sogar mehr beeinflussen würde als der bloße Gedanke an einen Flugzeugabsturz oder eine Reisewarnung aufgrund eines möglichen Terroranschlags. Personen, die an unbewusste Trauminhalte (Alternative D) glaubten, waren  sogar eher bereit einen Flug aufgrund eines entsprechenden Traumes abzusagen als aufgrund eines tatsächlichen Flugzeugabsturzes.

Aber lassen wir uns von all unseren Träumen so stark beeinflussen oder kommt es auf den Inhalt unserer Träume an? Nach Morewedge und Norton messen wir vor allem Träumen Bedeutung bei, die mit unseren Überzeugungen und unseren Vorstellungen von der Welt übereinstimmen. So hielten die Befragten einen Traum für glaubwürdiger, in dem ein guter Freund sie gegenüber einem Angreifer verteidigte, als einen Traum, in dem dieser Freund ihren Partner küsste und sie dadurch hinterging.

Wie aber würden Sie einen Traum interpretieren, in dem Gott zu Ihnen spricht und Sie entweder auffordert, für ein Jahr eine Weltreise zu machen oder für dieselbe Zeit in einer Leprakolonie zu arbeiten? Bei den Befragten kam es ganz darauf an, wie stark sie daran glaubten, dass Gott tatsächlich existiert. Sehr Gläubige hielten beide Träume für bedeutsam, weniger stark Gläubige maßen der Aufforderung zu einer Weltreise mehr Bedeutung bei.

Eines steht also fest: Die meisten von uns glauben daran, dass unsere Träume etwas bedeuten. Gleichzeitig aber lassen wir uns nicht von jedem Traum gleichermaßen in unserem Alltag und unseren Entscheidungen beeinflussen. Nur Träume, die unsere Überzeugungen und Wünsche reflektieren, können unser tatsächliches Verhalten beeinflussen. Wenn Sie heute Nacht davon träumen, dass Sie morgen von Außerirdischen entführt werden, sollten Sie sich also keine Sorgen machen.

Morewedge, C. K., & Norton, M. I. (2009). When dreaming is believing: The (motivated) interpretation of dreams. Journal of Personality and Social Psychology, 96 (2), 249–264.

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