Die Erinnerung isst mit

- Birgit Gutzer –

Erinnerungs­fehler können Abneigungen gegen Speisen hervorrufen.

Sind Sie als Kind in einem Einkaufszentrum verloren gegangen? Wahrscheinlich nur die wenigsten von Ihnen. Psychologische Studien zeigen jedoch, dass viele Kinder überzeugt sind, dieses Ereignis tatsächlich erlebt zu haben, wenn ihnen dies von ihren Eltern suggeriert wurde, obwohl etwas Derartiges nie stattgefunden hatte. Unser Gedächtnis ist nicht unfehlbar – doch wie sehr kann man es austricksen? Dass falsche Erinnerungen sogar unser Verhalten längerfristig beeinflussen können, zeigt eine neue Studie eines englisch-niederländischen Forscherteams.

Elke Geraerts und ihre Kollegen untersuchten, ob das Suggerieren einer unangenehmen Erfahrung mit einer bestimmten Speise, die angeblich in der Kindheit gemacht wurde, zu einer Veränderung des Ess­verhaltens führt. Beim ersten Termin der Studie wurden 180 Studierende der Universität Maastricht zu ihrem Ess­verhalten während der Kinderzeit befragt. Dabei sollten sie beispielsweise angeben, ob ihnen jemals von bestimmten Speisen, unter Anderem Eiersalat, schlecht geworden war, sowie wie sicher sie sich dieser Erinnerung waren. Eine Woche später bekamen die Teilnehmenden ein Profil ihrer Kindheitserfahrungen mit bestimmten Speisen rückgemeldet, wie zum Beispiel, dass sie als Kind gerne Pizza gegessen hätten und Rosenkohl nicht gemocht hätten. Einem zufällig ausgewählten Teil der ProbandInnen wurde dabei suggeriert, dass ihnen in der Kindheit von Eiersalat schlecht geworden war. Um die vermeintliche Erinnerung glaubwürdiger zu machen, sollten die Teilnehmenden das Ereignis näher beschreiben und zum Beispiel angeben, wie sehr sie dieses Kindheitserlebnis in ihrer Persönlichkeit beeinflusst hat. Danach wurden erneut ihre Essensvorlieben erfragt und sie sollten berichten, ob sie spezifische Erinnerungen an die rückgemeldeten Essenserfahrungen hatten oder nicht. Zudem beobachtete das Forscherteam, ob die Teilnehmenden bei einem vorbereiteten Buffet Eiersalat-Sandwiches oder aber andere Sandwiches auswählten. Vier Wochen später wurden alle Versuchspersonen noch einmal eingeladen und es wurde erneut registriert, ob die ProbandInnen, die das falsche Feedback erhalten hatten, Eiersalat mieden.

Die Ergebnisse zeigten, dass durch falsche Suggestionen Überzeugungen und Verhaltensweisen verändert werden können. Zwar stieg lediglich bei etwa 40 Prozent der ProbandInnen, die das falsche Feedback erhalten hatten, die Überzeugung, dass sich das Übelkeits-Ereignis wirklich ereignet hatte. Die Beobachtungen zeigten jedoch, dass fast alle Personen, denen die Eiersalat-Erinnerung suggeriert worden war, beim zweiten Termin weniger Eiersalat aßen als die Kontroll­gruppe. Vier Wochen nach der falschen Rückmeldung allerdings aßen nur noch diejenigen weniger Eiersalat-Sandwiches, die sich von der falschen Rückmeldung der Forscher hatten überzeugen lassen.

Die Studie zeigt also, dass Menschen sich von vermeintlichen Erinnerungen auch in ihrem Verhalten beeinflussen lassen. Der Effekt hält vermutlich allerdings nur bei denjenigen länger an, die selbst davon überzeugt sind, dass die Erinnerung wahr ist. Ob dies der Schlüssel zum Erfolg für Eltern ist, die ihren Kindern ungesunde Ernährung abgewöhnen wollen, kann allerdings nicht garantiert werden.

Geraerts, E., Bernstein, D. M., Merckelbach, H. & Linders, C. (2008). Lasting False Beliefs and Their Behavioral Consequences. Psychological Science, 19, 749- 753.

© Forschung erleben 2009, alle Rechte vorbehalten

Zurück