Die paradoxe Einkaufstasche

- Michael Wagner –

Das Mitbringen einer wiederverwendbaren Einkaufstasche (im Vergleich zur Verwendung einer Einwegtüte) kann dazu führen, dass mehr biologische Lebens­mittel, aber auch mehr Genussmittel wie Süßigkeiten und Snacks eingekauft werden.

Sonja versucht umweltbewusst zu leben und erledigt ihren wöchentlichen Einkauf mit dem Fahrrad. Um Müll zu vermeiden, nimmt sie eine Einkaufstasche mit und verzichtet auf Einwegtüten. Aktionen wie „Plastic Bag Free Day“ oder eine EU-Vorgabe, die es den Mitgliedsstaaten erleichtern soll, die Zahl von Einwegtüten zu senken, zeigen, dass die Reduktion von Plastikmüll durch Einwegtüten gesellschaft­lich an Relevanz gewinnt.

Dass sich solche Bemühungen positiv auf die Umwelt auswirken, scheint unumstritten. Doch hat der Verzicht auf Einwegtüten auch einen Einfluss auf das Konsum­verhalten? Dies vermuteten die Forschenden Uma Karmarkar und Bryan Bollinger. Einerseits könnte das Mitbringen einer Einkaufstasche das Konzept „Umweltbewusstsein“ bei Einkaufenden gedanklich in den Vordergrund treten lassen. Da biologische Produkte in der Regel als umwelt­freundlich wahrgenommen werden, könnte dies dazu führen, dass sie vermehrt wahrgenommen und gekauft werden. Andererseits könnte das Mitbringen einer Einkaufsasche Einkaufende dazu verleiten, sich z.B. eher Süßigkeiten und Snacks zu gönnen, da sie den Verzicht auf eine Einwegtüte als umwelt­freundliche und belohnenswerte Tat bewerten.

Um ihre Überlegungen zu prüfen, wertete das Forschungs­team Daten eines Super­markts aus. Dabei wurde analysiert, ob Einkaufende eigene Einkaufstaschen mitbrachten oder Einwegtüten kauften und welche Produkte sie erwarben. Wie vermutet, zeigte sich, dass Personen, die eine eigene Einkaufstasche dabei hatten, sowohl mehr biologische Produkte als auch Süßigkeiten kauften – allerdings nur unter bestimmten Umständen: Waren die Bio-Lebens­mittel beispielsweise viel teurer als die konventionellen, dann wurden trotz eigener Einkaufstasche nicht mehr so viele weitere Bio- Produkte gekauft. Außerdem zeigte sich, dass sich Personen für das Mitbringen einer Einkaufstasche weniger mit Süßigkeiten „belohnten“, wenn sie für Kinder sorgten. Die Befunde aus dem Super­markt wurden in mehreren experimentellen Studien erneut getestet. Dort bestätigte sich die Idee, dass das Mitbringen einer Einkaufstasche dazu führen kann, dass mehr biologische Lebens­mittel, aber auch mehr Süßigkeiten und Snacks präferiert werden. Teilnehmende, die für Kinder sorgten, tendierten allerdings auch hier weniger dazu, sich mit Süßigkeiten für eine wiederverwendbare Einkaufstasche zu belohnen. Waren biologische Produkte wiederum viel teuer als konventionelle, wurden trotz wiederverwendbarer Tasche nicht mehr biologische Produkte bevorzugt.

Zweifelsohne ist das Mitbringen einer wiederverwendbaren Einkaufstasche löblich und schont die Umwelt, allerdings scheint dies, zumindest unter bestimmten Umständen, auch das Einkaufs­verhalten beeinflussen zu können. Zum einen kann der Verzicht auf Einwegtüten mit dem vermehrten Kauf von biologischen Produkten einhergehen, wenn biologische Lebens­mittel nicht viel teuer sind als konventionelle. Zum anderen kann es passieren, dass sich Einkaufende für ihre gute Tat etwas gönnen und vermehrt Süßigkeiten und Snacks einkaufen, solange sie sich nicht um Kinder kümmern. Sonja sollte sich also nicht wundern, wenn in ihrem mitgebrachten Einkaufskorb nicht nur mehr Bioäpfel sondern auch ein Schokopudding landet.

Karmarkar, U. R. & Bollinger, B. (2015). BYOB: How Bringing Your Own Shopping Bags Leads to Treating Yourself and the Environment. Journal of Marketing, 794 (4), 1–15. doi: dx.doi.org/10.1509/jm.13.0228

www.plasticbagfreeday.org

www.spiegel.de/wissenschaft/natur/eu-beschluss-gegen-plastiktueten-steuern-und-verbote-a-1021343.html

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Mariela Jaffé*, Judith Tonner

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