Druck erzeugt Gegendruck

- Alena Friedrich –

Wenn sich Menschen unter Druck gesetzt fühlen, können Interventionen zur Reduktion von Vorurteilen ironischerweise genau das Gegenteil bewirken.

Viele Menschen arbeiten in internationalen Arbeits­gruppen, leben in einer Multi-Kulti- Nachbarschaft oder gehen Beziehungen mit Personen aus anderen Nationen ein. Unsere Gesellschaft bekennt sich offen zu Pluralität und ächtet Rassismus und andere Formen von Diskriminierung. Dennoch zeigen viele Vorfälle, dass Fremdenhass noch immer existiert. Die Politik reagiert darauf mit zahlreichen Anti-Diskriminierungs­programmen wie beispielsweise „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN!“, für das vom Bundes­ministerium jährlich 24 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Neueste Forschungs­ergebnisse zeigen, wie konkrete Fördermaßnahmen ausgestaltet werden können.

Die kanadische Forscher­gruppe um Lisa Legault untersuchte, wann Maßnahmen zur Vorurteilsreduktion erfolgreich sein und wann sie sogar das Gegenteil bewirken und Vorurteile verstärken können. Die Forscher­gruppe nahm an, dass das Ausmaß der erlebten Autonomie eine Rolle spielt: Nehmen Personen den Wunsch zur Gleichberechtigung als eigenen wahr und wollen von sich aus vorurteilsfrei handeln? Oder denken Personen, dass solche Ideale von Außen aufgesetzt werden und sie gezwungen sind, sich vorurteilsfrei zu verhalten, um in die Gesellschaft zu passen? Während im ersten Fall die Reduktion von Vorurteilen wahrscheinlich ist, kann der erlebte Druck von außen im zweiten Fall zu Gegenreaktionen und mehr statt weniger Vorurteilen und vorurteilsbelastetem Verhalten führen.

Das Team führte eine Studie zur „Reduktion von Vorurteilen“ an einer Universität durch. Die Teilnehmenden lasen eine von drei Informations­broschüren, die sich darin unterschieden, wie viel Autonomie sie dem LeserInnen in Bezug auf die Vorurteilsfreiheit ließen. In der ersten Broschüre wurde beschrieben, warum es wichtig und gut ist, Vorurteile zu reduzieren, aber auch der Hinweis gegeben, dass sich jeder frei dafür entscheiden kann (viel Autonomie). Die zweite Broschüre hob hingegen den Druck hervor, in der heutigen Gesellschaft gegen Vorurteile anzukämpfen und sich den sozialen Normen anzupassen (keine Autonomie). Die dritte Broschüre enthielt lediglich Informations­material zu Vorurteilen und diente als Kontrolle. Die Teilnehmenden bekamen zufällig eine der drei Broschüren zum Lesen. Anschließend wurden alle Teilnehmenden gebeten, ihre Motivation zur Vorurteilsfreiheit und ihre Vorurteile gegenüber Personen dunkler Hautfarbe einzuschätzen.

Die Teilnehmenden, die über die Broschüre Informationen bekamen und sich frei entscheiden konnten (erste Broschüre), berichteten die höchste Motivation und die geringsten Vorurteile gegenüber Dunkelhäutigen. Am negativsten fielen diese Urteile für LeserInnen der zweiten Broschüre aus, die mit „Druck von außen“ arbeitete. Diese Teilnehmenden berichteten sogar mehr Vorurteile als die Teilnehmenden der Kontrollbedingung (dritte Broschüre). Personen mit Druck motivieren zu wollen, Vorurteile abzubauen, war also kontraproduktiv und schädlicher als Personen gar nicht zu motivieren.   
Diese Befunde lassen die Schlussfolgerung zu, dass Kampagnen zur Reduktion von Vorurteilen nicht mit Druck zur Anpassung, sondern erfolgreicher mit Informationen und dem Hinweis auf Entscheidungs­freiheit arbeiten sollten. Denn Druck erzeugt offensichtlich sehr schnell Gegendruck.

Legault, L., Gutsell, J.N., & Inzlicht, M. (2011). Ironic Effects of Antiprejudice Messages: How Motivational Interventions Can Reduce (but Also Increase) Prejudice. Psychological Science, 22, 1472–1477.

Bundes­programm „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN!“, des Bundes­ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

http://www.toleranz-foerdern-kompetenz-staerken.de/

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