Ein Babyface macht Karriere

- Birgit Gutzer –

Ein kindliches Gesicht wirkt bei Afroamerikanern karrierefördernd.

Führungs­kräfte erfolgreicher Unternehmen stellt man sich in der Regel dominant, tonangebend und männlich markant vor. Die Vermutung, dass ein sogenanntes „Babyface“, also ein kindlich anmutendes, rundes Gesicht mit hoher Stirn und kleiner Nase sowie kurzem Kinn, beim Erklimmen der Karriereleiter eher hinderlich ist, scheint recht nahe liegend. Denn ein kindliches Gesicht wird häufig mit einem warmherzigen und freundlichen Charakter, jedoch ebenfalls mit Schwäche und In­kompetenz assoziiert. Bisherige Untersuchungen konnten den negativen Effekt einer solchen Gesichtsform auf die zugeschriebenen Führungs­kompetenzen zahlreich bestätigen. Nun zeigt jedoch eine aktuelle Studie, dass ein „Babyface“ für afroamerikanische Geschäftsführer sogar den Weg zum Erfolg ebnen kann. Wie ist das möglich?

Robert Livingston und Nicholas Pearce untersuchten, ob männliche afroamerikanische Geschäftsführer im Durchschnitt eher ein „Babyface“ besitzen als ähnlich erfolgreiche weiße Kollegen. Dazu wurden Studierenden vierzig Fotos von weißen und afroamerikanischen Vorständen der umsatzstärksten Firmen der Vereinigten Staaten gezeigt. Diese sollten die Kindlichkeit der Gesichtszüge der ihnen unbekannten Geschäftsführer einschätzen. Außerdem sollten sie eine Schätzung der Gehälter der dargestellten Personen vornehmen.

Tatsächlich wiesen afroamerikanische Vorstände deutlich häufiger ein „Babyface“ auf als ihre weißen Pendants. Des Weiteren wurde das Gehalt afroamerikanischer Geschäftsführer mit kindlichem Gesicht höher eingeschätzt als das ihrer afroamerikanischen Kollegen mit einem markanten Gesicht. Für die weißen Geschäftsführer zeigte sich dieser Effekt hingegen nicht.

Die Forscher­gruppe macht den „Teddybär-Effekt“ für diese überraschenden Ergebnisse verantwortlich. Denn afroamerikanische Führungs­kräfte profitieren von kindlichen Gesichtszügen und einem herzlichen Charakter auf Grund der Vorurteile gegen afroamerikanische Männer. Da diese aufgrund eines negativen Stereotyps eher als bedrohlich wahrgenommen werden, schwächen die vorher genannten entwaffnenden Eigenschaften, die mit einem „Babyface“ assoziiert werden, diese Wahrnehmung ab. Dadurch überwiegt die positive Charakterwärme und die negativen Assoziationen werden gelindert. Während bislang bei weißen Führungs­kräften noch gilt, dass es tendenziell positiv ist, Ärger, Durchsetzungs­vermögen und Dominanz offen zu zeigen, bleibt ihren afroamerikanischen Kollegen weniger Handlungs­freiheit in Bezug auf ihren Führungs­stil. Sie müssen ihren Führungs­stil stärker kontrollieren, um zu verhindern, dass Vorurteile aktiviert werden. Ein „Babyface“ kann dabei helfen, diese vorurteilsbehaftete Wahrnehmung einzuschränken. Gleichzeitig jedoch kann ein solches Aussehen auch mit Kosten verbunden sein, wenn der Person mit kindlichem Gesicht eine geringere Kompetenz zugesprochen wird. Die vorliegenden Studien sind jedoch beschränkt auf die höchste Führungs­ebene. Ob sich diese Ergebnisse auch auf niedrigere Führungs­kräfte übertragen lassen, bleibt ungeklärt.

Livingston, R. W. & Pearce, N. A. (2009). The Teddy-Bear Effect. Does Having a Baby Face Benefit Black Chief Executive Officers? Psychological Science, 20 (10), 1229 – 1236.

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