Einer neidet – sein Umfeld leidet

- Linnea Tönjes –

Neid senkt die allgemeine Hilfsbereitschaft und fördert unsoziales Verhalten.

Bereits seit Jahrhunderten ist Neid als Auslöser von Rivalität, Feindseligkeit und Un­zufriedenheit ein Thema, das unsere Gesellschaft beschäftigt. Im Märchen „Schneewittchen“ versucht die Königin mehrmals, Schneewittchen aus Neid um ihre Schönheit umzubringen. Auch wenn dies ein sehr drastisches Beispiel ist, zeigt die Forschung, dass sich Menschen in der Tat gegenüber anderen, die ihnen in irgendeiner Form überlegen scheinen, weniger hilfsbereit verhalten wie auch eher dazu neigen, sie bewusst zu schädigen.

Ein Forschungs­team um Anna Maria C. Behler vermutete nun, dass die negativen Effekte von Neid auch auf nicht involvierte Mitmenschen generalisieren können. Somit sollte Neid generell weniger Hilfe­verhalten (prosoziales Verhalten) sowie mehr schädliche Verhaltensweisen (antisoziales Verhalten) gegenüber Mitmenschen hervorrufen. Um ihre Überlegung zu prüfen, führte das Forschungs­team eine Studie durch, in der es einige der Teilnehmenden bat, sich an eine Situation zurückzuerinnern, in der sie Neid empfunden haben und diese zu verschriftlichen. Andere Studien­teilnehmende schrieben über ein Erlebnis, bei dem sie Dankbarkeit empfanden oder über eine neutrale Situation. Im Anschluss fanden sich die Teilnehmenden jeweils mit einer unbekannten Person zu zweit in einem Raum wieder, während die Versuchsleitung den Raum unter Vorwand kurz verließ. Die unbekannte Person stieß scheinbar versehentlich einen Stiftebehälter um, woraufhin die Stifte auf den Boden fielen. Die Ergebnisse bestätigten die Annahme, dass Teilnehmende, die zuvor über Neid geschrieben haben, sich weniger hilfsbereit im Aufsammeln der Stifte zeigen. Im Schnitt hoben sie weniger Stifte auf als Teilnehmende die zuvor über Dankbarkeit oder eine neutrale Situation geschrieben haben.

In einer weiteren Studie fanden Behler und ihr Team Hinweise darauf, dass Neid zusätzlich antisoziale Verhaltensweisen wahrscheinlicher macht. Personen, die Neid empfanden, teilten anderen Versuchspersonen im Vergleich zu dankbar und neutral gestimmten Teilnehmenden schwieriger zu lösende Puzzles zu. Gleichzeitig berichteten sie eine stärkere Intention, der Person zu schaden.  Interessanterweise ließen sich diese Effekte finden, obwohl in beiden Studien die Personen, auf die sich das pro- und antisoziale Verhalten richtete, in keinem Bezug zu den beneideten Personen standen, über die die Teilnehmenden zuvor geschrieben hatten. Neid scheint also auch negative Konsequenzen für Außen­stehende haben zu können, die nichts mit der Ursache des Neides zu tun haben. Die Forschenden vermuten, dass sich eine neidische Person weniger intensiv in das Gefühlsleben anderer Menschen hineinversetzt, also weniger empathisch ist und sich deswegen eher anti- als prosozial verhält. Ob diese Erklärung stimmt, muss jedoch noch weiter erforscht werden.

Neid kann also dazu führen, dass wir uns unschuldigen Mitmenschen gegenüber un­freundlich oder gar schädlich verhalten. Es ist somit zu erwarten, dass nicht nur Schneewittchen unter der neidischen Königin leiden musste, sondern auch die hoheitliche Dienerschaft die ein oder andere boshafte Bemerkung von ihr ertragen mussten. Neid macht uns allgemein unsozialer und schadet so unseren Beziehungen zu vielen Menschen.

 

Behler, A. M. C., Wall, C. S. J., Bos, A., & Green, J. D. (2020). To Help or To Harm? Assessing the Impact of Envy on Prosocial and Antisocial Behaviors. Personality and Social Psychology Bulletin. https://doi.org/10.1177/0146167219897660

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Selma Rudert¹, Michael Wagner

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