Entmenschlichung – ein Weg zur Folter?

- Kim-Leonie Büsgen –

Die Entmenschlichung muslimischer Personen führt bei Christen zu einer größeren Bereitschaft zur Folter.

Angesichts der Berichte über die Folter in Abu-Ghuraib oder auch den Foltermord im Jugendgefängnis Siegburg fragt man sich, wie Menschen zu solchen menschenverachtenden Taten fähig sein können. Hängt die Bereitschaft zur Folter unter Umständen damit zusammen, als wie menschlich Täter ihre Opfer betrachten? 

In bisherigen Studien wurde die Entmenschlichung Außen­stehender mit unterschiedlichen negativen Folgen in Verbindung gesetzt. So führt Entmenschlichung dem aktuellen Forschungs­stand zufolge beispielsweise zu einer geringeren Bereitschaft zur Vergebung.

Ein Forschungs­team um Tendayi Viki untersuchte nun, inwiefern die Entmenschlichung von Muslimen einen Einfluss auf die Bereitschaft christlicher Personen hat, muslimische Gefangene zu foltern. An der Studie nahmen 68 christliche Personen teil, die zufällig einer von zwei Versuchs­gruppen zugewiesen wurden. Beide Gruppen bekamen zu Beginn der Studie einen Text über die muslimische Kultur vorgelegt, bei dem sich lediglich der letzte Abschnitt für die Gruppen unterschied. In dem Text der Gruppe, die Muslime entmenschlichen sollte, wurden Wörter wie „unemotional“ und „entspannt“ anstelle von Wörtern wie „Leidenschaft“ und „strebsam“ verwendet. Letztere Wörter sind – im Gegensatz zu Ersteren – laut der Forschenden stark mit der Einzigartigkeit der menschlichen Natur verbunden. Anschließend wurden die Teilnehmenden mit vier Bildern von Folterszenen im Gefängnis von Abu Ghuraib konfrontiert und gebeten, sich in die Situation der SoldatInnen zu versetzen. Um zu erfassen, inwiefern die Teilnehmenden unter entsprechenden Bedingungen ebenfalls zu Folterhandlungen neigen würden, wurden sie beispielsweise gefragt, ob sie sich ebenso verhalten hätten und ob sie die Kontrolle in der Situation genossen hätten.

Die Ergebnisse zeigen, dass Teilnehmende, die weniger menschliche Beschreibungen gelesen hatten, aus einer Liste von Wörtern auch weniger „menschliche“ Wörter auswählten, um Muslime zu beschreiben. Tatsächlich wiesen diese Personen eine höhere Neigung zur Folter in den Szenarien auf. Zudem zeigte sich, dass diese größere Folterbereitschaft durch die „Entmenschlichung“ der Muslime durch die Teilnehmenden erklärt wurde.

In einer zweiten Studie wurde zusätzlich die wahrgenommene Bedrohung durch Muslime und deren Zusammenhang mit der Folterbereitschaft untersucht. Es zeigte sich, dass der Zusammenhang zwischen der Entmenschlichung von Muslimen und der Bereitschaft sie zu foltern größer ist, wenn Muslime als Bedrohung wahrgenommen werden. Bei Personen, die angaben keine Bedrohung durch Muslime wahrzunehmen, war die Neigung zu foltern hingegen, unabhängig von der Zuschreibung menschlicher Eigenschaften, gering.

Auch wenn Entmenschlichung entsprechend der Ergebnisse ein möglicher Mechanismus ist, der die Hemmschwelle zu foltern, insbesondere bei wahrgenommener Bedrohung, senken kann, sollte jedoch jedem bewusst sein, dass die Entmenschlichung einer Person allein noch längst nicht zu Folter führt.

Viki, G., Osgood, D., & Phillips, S. (2013). Dehumanization and self-reported proclivity to torture prisoners of war. Journal of Experimental Social Psychology, 49, 325–328.

© Forschung erleben 2013, alle Rechte vorbehalten

Zurück