Europa – das sind wir!

- Martin Krentz –

Der typische Europäer entspricht in unserer Vorstellung am ehesten unserer eigenen Nationalität.

Europa ist ein Gebilde von Kulturen, das von seiner Vielfalt lebt. Dabei teilen wir Vorstellungen darüber, wie die Menschen in den unterschiedlichen Kulturen aussehen, z.B. stellen wir uns Schwedinnen blond vor oder Spanier glutäugig. Doch was tut man, wenn man einen typischen Europäer beschreiben soll? Der deutschen Sozialpsychologin Amélie Mummendey zufolge neigen Menschen dazu, eine für die eigene Kultur typisch aussehende Person als repräsentativ für eine übergeordnete Gruppe, wie z.B. Europäer, zu sehen. 

Eine Forschungs­gruppe um Roland Imhoff wollte diese Frage anhand von Gesichtern untersuchen: Ist es wirklich so, dass unser Bild eines typischen Europäers abhängig ist von der Vorstellung über das Aussehen von typischen Personen aus der eigenen Kultur? Mithilfe eines Computer­programms wurden Bilder männlicher Deutscher und Bilder männlicher Portugiesen verrechnet, um ein vereintes Bild zu konstruieren. Diesem vereinten Bild wurde nun immer wieder zufälliges Rauschen hinzugefügt und abgezogen, welches sich durch verschiedene Arten von Verpixelung zeigte. Deutsche und portugiesische Versuchspersonen sollten nun immer wieder entscheiden, welches der zwei dadurch entstandenen Bilder typischer für einen Europäer sei. Um ein über viele Versuchspersonen einheitliches  Bild zu erhalten, wurden nun die jeweils gewählten Bilder aller Deutschen, sowie aller Portugiesen, innerhalb der Gruppen gemittelt. Davon unabhängige Versuchspersonen sollten nun entscheiden wie typisch die jeweiligen Bilder für die Nationen sind. Es zeigte sich, dass das in der deutschen Gruppe entstandene Bild eines typischen Europäers von den Beurteilern als deutsch bewertet wurde und das Bild aus der portugiesischen Gruppe übereinstimmend als portugiesisch benannt wurde. Auf Basis dieser Ergebnisse scheinen sich die Vorhersagen Mummendeys sowie Imhoffs zu bestätigen.

Hat es einen Einfluss auf die Erstellung des typischen europäischen Gesichts, ob ich explizit meine eigene Gruppe als typisch für die Oberkategorie sehe? Anscheinend nicht: In einer zweiten Studie stellte die Forschungs­gruppe fest, dass Personen, die die jeweils andere Kultur als typischer für Europa einordneten als die eigene, ebenfalls das für die eigene Kultur typische Gesicht als typischer für Europa betrachteten.

Die Ergebnisse der Studien legen nahe, dass wir implizit dazu neigen unsere eigene Nation als repräsentativ für die europäische Kultur zu betrachten.Diese Sichtweise kann problematisch sein, da sie im Gegensatz zur Multikulturalität in der europäischen Gemeinschaft steht. Was Europa ausmacht, ist nicht ein bestimmtes Gesicht – für uns z.B. das Gesicht eines Deutschen, sondern eben die Vielzahl von unterschiedlichsten Gesichtern, die alle gleichermaßen für ein gemeinsames Europa stehen sollten. Ein weiteres, von kulturellem Austausch und reger interkultureller Kommunikation geprägtes, Zusammenrücken Europas könnte den gefundenen Effekt in Zukunft deutlich vermindern.

Imhoff, R., Dotsch, R.,  Bianchi, M., Banse, R., & Wigboldus, D. H .J. (2011). Facing Europe: Visualizing Spontaneous In-Group Projection. Psychological Science, 22, 1583-1590.

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