Feedback bitte!

-Sophia Tewald-

Wir unterschätzen, wie sehr sich andere konstruktives Feedback wünschen.

 

Pauls Vortrag ist vorbei und auf seiner letzten Folie steht groß „Feedback bitte“. Sofort fällt mir ein, dass ich einige Dinge nicht verstanden habe, weil Paul manchmal zu schnell spricht. Aber möchte Paul dieses Feedback wirklich hören?

Situationen wie diese haben wir alle schon erlebt. Ob ein Kollege ständig ein Fremdwort falsch ausspricht oder man Spinat in den Zähnen einer Freundin entdeckt – oftmals entscheiden wir uns, unserem Gegenüber keine Rückmeldung zu Missgeschicken zu geben. Aber warum behalten wir Feedback für uns, wenn es anderen helfen könnte, eine unerwünschte Situation zu vermeiden, also konstruktiv wäre? Und wünschen sich Personen ein solches Feedback oder wäre es ihnen eher unangenehm?

Bisherige Forschung zeigt, dass Menschen häufig zögern, anderen Feedback zu geben, da sie die Beziehung mit ihrem Gegenüber nicht gefährden, nicht an Beliebtheit verlieren oder der anderen Person kein schlechtes Gefühl geben möchten. Gleichzeitig ziehen sie oft verstärkt ihre eigene Perspektive heran, wenn sie versuchen, die Sichtweise anderer vorherzusagen.

Auf diesen Befunden aufbauend nahm eine Forschungs­gruppe um Nicole Abi-Esber an, dass Menschen beim Geben von Feedback nicht nur negative Konsequenzen für sie selbst (z. B. eigenes Unbehagen) in Betracht ziehen, sondern auch vergleichbare negative Konsequenzen für die Empfänger*innen des Feedbacks (z. B. deren Unbehagen) erwarten. Dadurch würden nicht nur die negativen Konsequenzen für die Empfänger*innen überschätzt, sondern auch die positiven Konsequenzen für diese (z. B. Problembehebung, Weiter­entwicklung) unterschätzt. Als Folge davon sollten Personen unterschätzen, wie sehr sich andere Feedback wünschen.

Das Forschungs­team überprüfte diese Vermutungen in mehreren Studien. In einer dieser Studien wurde ein Redewettbewerb durchgeführt, bei dem die Teilnehmenden in Paaren eine Rede erarbeiten sollten und ein Preisgeld für die beste Rede gewinnen konnten. Eine der beiden Personen sollte dabei die Rede üben, die andere Person sollte Feedback zu bestimmten Kriterien (z. B. Redeflüssigkeit) geben. Wer welche Rolle übernahm, war zufällig zugeteilt. Bevor und nachdem das Feedback in der Übungs­runde gegeben wurde, sollten die Teilnehmenden u. a. einschätzen, wie stark das Feedback Unbehagen in der vortragenden Person (also je nach Rolle in ihnen selbst oder in ihrem Gegenüber) auslösen, und wie wertvoll das Feedback für die vortragende Person sein würde. Schließlich wurde die Rede vor einer Jury vorgetragen. Übungs­runde, Feedback und finaler Vortrag wurden für eine Bewertung aufgezeichnet.

Wie vorhergesagt zeigten die Ergebnisse, dass die Feedback-Geber*innen das mögliche Unbehagen der Redner*innen höher einschätzten als diese selbst. Zudem unterschätzten sie, wie wertvoll diese das Feedback einstuften. Beides führte dazu, dass die Feedback-Geber*innen unterschätzten, wie sehr sich ihr Gegenüber Feedback wünschte. Je weniger konstruktives Feedback gegeben wurde, desto geringer fiel zudem die Verbesserung der Redner*innen zwischen Übungs­runde und Vortrag aus.

Konstruktives Feedback wird also von den Empfänger*innen meist mehr wertgeschätzt als wir vermuten. Zudem kann es ihnen auch wirkliche Vorteile bringen. Wenn dir also bei der nächsten Präsentation etwas auffällt, was die vortragende Person verbessern könnte, zögere nicht, Feedback zu geben – es ist oft wertvoller, als du denkst!

 

Abi-Esber, N., Abel, J. E., Schroeder, J., & Gino, F. (2022). “Just Letting You Know …” Underestimating Others’ Desire for Constructive Feedback. Journal of Personality and Social Psychology. Advance online publication. http://dx.doi.org/10.1037/pspi0000393

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Bianca von Wurzbach¹, David Grüning

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