Fiktive Sportprügeleien machen aggressiv

- Christoph Wolnik –

Brutale Sport-Videospiele lassen die Aggression stärker steigen als ihre gewaltfreien Pendants.

American Football ist eine körperbetonte und taktisch anspruchsvolle Sportart, welche sich besonders in ihrem Heimatland USA auch als Videospiel großer Beliebtheit erfreut. Neben diversen realistischen Varianten gibt es aber auch Spiele wie „Blitz: The League II“, welche, um es vorsichtig auszudrücken, den körperlichen Aspekt der Sportart in den Vordergrund stellen. Wenn man sich in diesem Fall die Kunden­rezensionen beim Internethändler Amazon durchliest, kann es einem als friedliebender Mensch kalt den Rücken her­unter laufen: „Regeln gibt es so gut wie keine! Das Spiel ist sehr brutal!“ „Würde es jedem empfehlen der gern American Football-Spiele spielt oder auch jenen, die mal einfach nur Prügel austeilen wollen.“ Über den Unterhaltungs­wert lässt sich dabei sicherlich streiten, über den aggressivitätssteigernden Einfluss solcher brutalen Sportspiele allerdings nicht: Er wurde von den Forschern Craig Anderson und Nicholas Carnagey in einer Studie nachgewiesen.

Die Wissenschaft­ler wollten herausfinden, welche Aus­wirkungen gewaltverherrlichende Sport-Videospiele auf das Verhalten und die Wahrnehmung in Bezug auf Aggression haben. Hierzu ließen sie Testpersonen in mehreren Experimenten brutale Sportsimulationen spielen, welche auf Football, Eishockey, Baseball, Basketball oder Fußball beruhen. Um die Ergebnisse vergleichen zu können, spielten andere Teilnehmende jeweils realitätsnahe und gewaltfreie Videospiele der entsprechenden Sportart. So fanden die Forscher heraus, dass die brutalen Versionen direkt nach dem Spielen zu einer aggressiveren Gefühlslage führten und die entsprechenden Testpersonen eine positivere Einstellung zu übertriebener Gewalt im Sport hatten. Zudem konnten sie Wörter mit einem Bezug zu Aggression und Gewalt, welche ihnen auf einem Computer­bildschirm gezeigt wurden, schneller identifizieren als die Teilnehmenden, die gewaltfreie Sportspiele gespielt hatten. Das spricht dafür, dass die brutalen Videospiele bei den Spielerinnen und Spielern tatsächlich gedankliche Konzepte der Aggression und Gewalt aktiviert hatten.

Um den Einfluss der Sport-Videospiele auf zukünftiges aggressives Verhalten zu testen, bediente sich das Forschungs­team nach dem Videospiel eines fingierten Wettstreits: Die Teilnehmenden glaubten, sich mit einem Gegner darin zu messen, wer die Taste einer Computer­maus schneller drücken kann. Der Verlierer einer Runde sollte dabei eine „Bestrafung“ in Form eines unangenehmen Geräuschs erhalten, dessen Lautstärke zuvor von den Teilnehmenden für den imaginären Gegner eingestellt werden musste. Um die Forschungs­idee zu überprüfen wurde ausgewertet, wie oft die Testpersonen den oberen Bereich der Lautstärke und welchen durchschnittlichen Lärmpegel sie für ihren Gegner wählten. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Gruppe mit den brutalen Spielen stellte die Lautstärke öfter auf die höchsten Stufen ein und erreichte einen höheren Durchschnitts-Lärmpegel als die Vergleichs­gruppe mit den gewaltfreien Sportspielen; sie verhielten sich ihrem Gegner gegenüber also aggressiver. Auch wenn die Gewalt in brutalen Sportvideospielen zunächst fiktiv ist, so hat sie offenbar ganz reale Konsequenzen, denn sie fördert aggressives Denken und Verhalten.

Anderson, C. A., & Carnagey, N. L. (2009). Causal effects of violent sports video games on aggression: Is it competitiveness or violent content? Journal of Experimental Social Psychology, 45, 731–739.

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