Frag‘ lieber persönlich!
Ob es darum geht, um eine Gehaltserhöhung zu bitten oder darum, Unterstützung bei einem Projekt einzufordern – andere Personen dazu zu bringen, das zu tun, was wir selbst möchten, kann sehr nützlich für uns sein. Eine E-Mail mit einer Bitte ist schnell geschrieben. Weshalb sollten wir uns dann die Mühe machen, das persönliche Gespräch zu suchen? Eine Studie von Roghanizad und Bohns legt nahe, dass wir in unseren E-Mails möglicherweise nicht so überzeugend sind wie wir denken und ein Gespräch deshalb erfolgversprechender sein kann.
Bisherige Forschung konnte zeigen, dass wir die Wahrscheinlichkeit unterschätzen, dass Personen, die wir persönlich um etwas bitten, dieser Bitte nachkommen werden. So glauben wir selbst, dass es sehr leicht sei, eine Bitte auszuschlagen, während die andere Person jedoch Druck verspürt, einzuwilligen. Doch wie schätzen wir unseren Einfluss per E-Mail ein?
Um dies zu untersuchen, wurden Versuchspersonen zufällig einer von zwei Bedingungen zugeteilt: In der ersten Bedingung sollten die Personen andere persönlich um einen Gefallen bitten, in der zweiten Bedingung wurde die Bitte per E-Mail verschickt. Die Versuchspersonen wurden angewiesen, Fremde, die bereits zugestimmt hatten, für einen Dollar einen Fragebogen auszufüllen, um die Bearbeitung einer zusätzlichen Aufgabe zu bitten. Zuvor sollten die Versuchspersonen die Anzahl an Fremden schätzen, die der Bitte nachkommen würden. In der ersten Bedingung baten die Versuchspersonen dann persönlich so viele Fremde wie möglich, einen Fragebogen für einen Dollar auszufüllen. Stimmte eine Person zu, wurde sie dann gefragt, ob sie noch eine zusätzliche Aufgabe erledigen würde. In der E-Mail-Bedingung wurden E-Mails an Studierende geschickt, die sich bereits für das Ausfüllen eines Fragebogens für einen Dollar angemeldet hatten. Diese wurden dann per E-Mail gefragt, ob sie noch eine zusätzliche Aufgabe erledigen würden.
Nach der Studie wurde gezählt, wie viele der Angesprochenen der Bearbeitung der zusätzlichen Aufgabe zugestimmt hatten. Persönlich angesprochene Personen nahmen häufiger an der zusätzlichen Aufgabe teil als digital angeschriebene Personen. Per E-Mail waren die Versuchspersonen zudem weniger erfolgreich als sie selbst dachten. Während sie die Wahrscheinlichkeit unterschätzten, dass Personen im persönlichen Kontakt zustimmen, überschätzten sie die Wahrscheinlichkeit, dass Personen ihren Bitten per E-Mail nachkommen würden. Dies scheint damit zusammen zu hängen, dass sie das implizite Vertrauen nicht genügend berücksichtigten, das in persönlichen Interaktionen zustande kommt – und in E-Mails verloren geht. Dieses Vertrauen kann Empathie aktivieren und somit Zustimmung zu einer Bitte wahrscheinlicher machen.
Was könnte das nun für uns bedeuten, wenn wir ein Anliegen an andere haben? Vielleicht einfach, dass es das nächste Mal hilfreich sein könnte, ein möglicherweise mühsameres Gespräch einer schnell geschriebenen E-Mail vorzuziehen.
Roghanizad, M.M., & Bohns, V.K. (2016). Ask in person: You’re less persuasive than you think over email. Journal of Experimental Social Psychology. doi:10.1016/j.jesp.2016.10.002
Redaktion und AnsprechpartnerIn*: Mariela Jaffé, Judith Tonner
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