Frauen sind nicht immer wählerischer

- Alena Friedrich –

Wie wählerisch man bei der Partnerwahl ist, hängt davon ab, ob man anspricht oder angesprochen wird.

Eine Vielzahl an Studien hat in der Vergangenheit gezeigt, dass Frauen bei der Partnerwahl wählerischer sind als Männer. Eine vermeintliche Erklärung dafür liefern evolutions­psychologische Hypothesen. Demnach investieren Männer und Frauen unterschiedlich viel in die Fortpflanzung, was sich auf ihre Partnerwahl auswirkt. Frauen sind aufgrund der Schwangerschaft neun Monate gebunden und übernehmen häufiger die Erziehungs­rolle. Für Frauen ist eine Fehlentscheidung in der Partnerwahl daher schwerwiegender als für Männer. Doch führt dies wirklich dazu, dass Frauen bei der Partnerwahl immer wählerischer sind? Eine neue Forschungs­arbeit stellt dies in Frage und betont (andere) kulturelle Faktoren, insbesondere die Tatsache, dass es zumeist Männer sind, die sich Frauen annähern und nicht umgekehrt. Tatsächlich macht diese fast unscheinbare Gepflogenheit einen großen Unterschied: Ob Männer Frauen ansprechen oder Frauen die Männer, bestimmt wie wählerisch Frau und Mann sind.

Zu diesem Schluss kommen die amerikanischen Wissenschaft­ler Eli Finkel und Paul Eastwick durch die Analyse einer Vielzahl von Speed Date-Events. Unter Speed Dates versteht man eine fokussierte Form des Kennenlernens, bei der man in kürzester Zeit auf mehrere Singles treffen kann. Je ein Mann und eine Frau sitzen sich für eine kurze Zeit gegenüber und lernen sich kennen. Nach einigen Minuten ertönt ein Signal, und eine der Personen – meist der Mann – wechselt den Platz, und die Beschnupperungs­zeit mit einem neuen Gegenüber beginnt. Nach einigen Minuten ertönt erneut das Signal und die Männer rutschen weiter. Am Ende entscheiden sowohl Männer als auch Frauen anonym, wen sie wiedersehen möchte. Nur bei beiderseitigem Interesse tauscht der Veranstalter die Kontaktdaten aus.

In ihrer Studie untersuchten Finkel und Eastwick die Ursache, warum Frauen bei Speed Datings viel seltener ein Wiedersehen wünschen als Männer, also wählerischer sind. Dazu veränderten sie nur eine Sache: Bei der Hälfte der Events wechselte wie üblich der Mann den Platz. Bei der anderen Hälfte mussten die Frauen die Plätze tauschen und die Männer blieben sitzen. Es zeigte sich erneut, dass den Platz wechselnde Männer viel häufiger ein Wiedersehen wünschen als die Frauen, die den ganzen Abend sitzen blieben. Wenn Frauen jedoch selbst die Plätze tauschen, und die Männer sitzen bleiben, gibt es bezüglich des Wunschs nach Wiedersehen und der wahrgenommenen Chemie zwischen beiden keinen Unterschied mehr.

Warum ist der Sitzplatz-Tauschende weniger wählerisch? Die Forscher erklären dies durch das größere Selbstvertrauen der Personen, die den Platz wechseln. Immer und immer wieder nähern sie sich einer Person an. Diese Annäherung stärkt ihren Selbstwert und fördert die Entwicklung von romantischen Gefühlen.

Die Ergebnisse von Finkel und Eastwick zeigen, dass ein kleiner kultureller Aspekt – wer spricht wen an – beeinflusst, wie wählerisch Männer und Frauen bei der Partnerwahl sind. Das bedeutet nicht unbedingt, dass evolutionäre Faktoren keine Rolle spielen; aber es zeigt, dass kulturellen Faktoren eine große Bedeutung zukommt. Damit auch Frauen öfter mal „Ja“ zu einem Wiedersehen sagen, sollten Veranstalter daher das weibliche Geschlecht – entgegen üblicher Vorgehensweisen – die aktivere Rolle einnehmen und den Sitzplatz tauschen lassen.

Finkel, E. & Eastwick, P (2009). Arbitrary social norms influence sex differences in romantic selectivity. Psychological Science, 20(10), 1290-1295.

© Forschung erleben 2009, alle Rechte vorbehalten

Zurück