Freier Wille = freie Entscheidung?

- Kim-Leonie Büsgen –

Der Glaube an den freien Willen beeinflusst das Ausmaß, in dem Personen eigenständige Entscheidungen fällen.

Schnitzel mit Kartoffelsalat zum Mittagessen oder doch lieber die Gemüsepfanne? Die meisten Menschen würden behaupten, sie könnten sich – unabhängig von der Meinung anderer –  frei zwischen solchen Alternativen entscheiden. Mit anderen Worten: Die meisten Menschen glauben an den freien Willen. Dennoch bleibt dessen Existenz umstritten und es gibt ebenfalls Personen, die behaupten, all unsere Entscheidungen seien durch vorangegangene Ereignisse bereits vorherbestimmt . 

In bisherigen Studien zeigte sich, dass Personen, deren Glaube an den freien Willen reduziert worden war, weniger Anstrengung zur Willensäußerung aufbrachten, als Personen, die keine solche Manipulation erfahren hatten. Daraus schließt ein Forschungs­team um Jessica Alquist, dass der Zweifel am freien Willen die Konformität einer Person fördern sollte. Das Forschungs­team geht davon aus, dass es Zeit und Kraft kostet sich dem Einfluss einer Gruppe zu entziehen, sich selbst eine Meinung zu bilden und sich gegebenenfalls der Gruppen­meinung entgegenzusetzen. Wenn eine Person also ohnehin nicht an ihren freien Willen glaubt, kann sie diese Kosten mit Leichtigkeit einsparen, indem sie der bereits bestehenden Gruppen­meinung beipflichtet. Diese Hypothese, nach der Personen, die an den freien Willen glauben, eher von der Gruppen­meinung abweichen sollten als diejenigen, deren Glaube an den freien Willen erschüttert wird, wurde in einer Studie getestet.

Im Rahmen dieser Studie formulierten die Teilnehmenden zunächst vorgegebene Sätze mit eigenen Worten neu. In einer Gruppe wurde der Glaube an den freien Willen dabei durch die Sätze verstärkt (z. B. „Durch meinen freien Willen kann ich mein Handeln und letztendlich auch mein Schicksal kontrollieren.“), in einer anderen in Frage gestellt (z. B. „Die Wissenschaft hat nachgewiesen, dass der freie Wille eine Illusion ist“). In einer dritten Gruppe wurden Sätze zu anderen, neutralen Themen vorgelegt. Anschließend wurden die Teilnehmenden gebeten verschiedene abstrakte Bilder zu bewerten, wobei sie die angeblichen Bewertungen von 23 anderen Personen auf ihrem Antwortbogen sehen konnten. Diese Personen hatten die Bilder jeweils ungefähr gleich gut oder gleich schlecht bewertet, so dass die Teilnehmenden sich jeweils dem Urteil  ihrer angeblichen Vorgänger anschließen oder dagegen verstoßen konnten. 

Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Entscheidungen von Personen, deren Glauben an den freien Willen in Frage gestellt worden war, stärker an den Entscheidungen der angeblichen anderen Teilnehmenden orientierten als bei den anderen beiden Gruppen. Vermutlich schnitten die Gruppen, deren Glaube an den freien Willen unterstützt wurde und die neutrale Aussagen vorgelegt bekamen, gleich ab, da die meisten Menschen ohnehin an den freien Willen glauben.

Es scheint, dass bereits der Glaube an den freien Willen einen Einfluss darauf hat, inwieweit Personen dazu neigen, sich an anderen zu orientieren. Wer Wert darauf legt, dass andere eigenständige Entscheidungen treffen und auch bereit sind, darin von anderen Menschen abzuweichen, sollte also nicht ihren freien Willen in Frage stellen.

Alquist, J. L., Ainsworth, S. E., & Baumeister, R. F. (2013). Determined to conform: Disbelief in free will increases conformity. Journal Of Experimental Social Psychology, 49(1), 80–86.

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