Gleicher Geburtstag – gleich viel geschummelt!

- Clara Heißler –

Bereits kleine Gemeinsamkeiten mit einer anderen Person können dazu führen, dass man sich in seinen moralischen Einstellungen und dem Verhalten an diese Person anpasst.

Abschreiben bei der Abschlussarbeit – das finden viele verwerflich. Karl-Theodor zu Guttenberg trat zurück, nachdem bekannt wurde, dass seine Doktorarbeit nicht ganz aus der eigenen Feder stammte. Doch sehen Personen, die wissen, dass sie den Dezember mit zu Guttenberg als Geburtsmonat teilen, das vielleicht nicht ganz so eng? So absurd diese Frage klingen mag: Bisherige Forschung zeigt, dass schon das Wissen um kleine Gemeinsamkeiten zu psychologischer Nähe führt, also dazu, dass man sich einer anderen Person irgendwie verbunden fühlt. Zudem integrieren wir der Selbst-Expansionstheorie zufolge Eigenschaften von Personen, denen wir uns nahe fühlen, in unser Selbstbild. Das Forschungs­team Francesca Gino und Adam Galinsky nahm deshalb an: Wenn eine Person, der wir uns aufgrund einer Gemeinsamkeit nahe fühlen, sich unmoralisch verhält, dann finden wir das nicht ganz so schlimm wie bei einer  Person, die nichts mit uns gemein hat. 

Um diese Annahme zu überprüfen, führten Gino und Galinsky eine Reihe von Studien durch. Sie konnten zeigen, dass Teilnehmende, die sich in eine andere Person hineinversetzten und so psychologische Nähe zu ihr erlebten, egoistisches Verhalten dieser Person als weniger unmoralisch beurteilten als Teilnehmende, die zuvor nicht deren Perspektive eingenommen hatten. Zudem gaben Teilnehmende aus der ersten Gruppe häufiger an, sie hätten sich in einer solchen Situation ebenfalls egoistisch verhalten.

Auch ob sich solche Einstellungen in realem Verhalten niederschlagen, testete die Forschungs­gruppe. Bei der Hälfte der Teilnehmenden einer weiteren Studie wurde durch die Erwähnung kleiner Gemeinsamkeiten psychologische Nähe zu einem Verbündeten des Versuchsleiters hergestellt, der sich als weiterer Teilnehmer ausgab. Beide sollten dann verschiedene Rätsel lösen und sich für jede korrekte Lösung selbstständig einen bestimmten Betrag auszahlen. Dabei war ihnen scheinbar die Möglichkeit gegeben unbemerkt zu schummeln. Sobald beide mit den Rätseln begonnen hatten, verkündete der Verbündete, alle Aufgaben gelöst und sich die gesamte Geldsumme ausgezahlt zu haben. Dies wurde von der Versuchsleitung akzeptiert, obwohl  es offensichtlich nicht stimmen konnte. Betrügen hatte also keinerlei Konsequenzen. 

Schummelten die Teilnehmenden, die glaubten der betrügenden Person ähnlich zu sein, nun ebenfalls? Ja, rund zwei Drittel dieser Personen nahmen sich mehr Geld als ihnen aufgrund ihrer tatsächlichen Leistung zugestanden hätte. Waren keine Gemeinsamkeiten bekannt, tat dies nur knapp ein Drittel der Teilnehmenden. 

Tröstlich ist daran: In einem weiteren Experiment fanden Gino und Galinsky heraus, dass Gemeinsamkeiten nicht nur zur Übernahme von unmoralischem Verhalten führten, sondern auch selbstloses Verhalten nachgeahmt wurde. Dezember-Geburtstagskinder können sich also vielleicht durch Papst Franziskus (geboren am 17.12.) inspirieren lassen, der regelmäßig zu Großzügigkeit gegenüber den Armen auffordert.

Gino, F., & Galinsky, A. D. (2012). Vicarious dishonesty: When psychological closeness creates distance from one’s moral compass. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 119, 15–26.

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