Glücklich und leichtgläubig?

- Ulrike Rangel –

Unsere Stimmung beeinflusst die Fähigkeit, Lüge und Wahrheit zu unter­scheiden.

Ein Angeklagter steht vor Gericht und bestreitet vehement, die ihm vorgeworfene Tat begangen zu haben. Ist er aufrichtig oder lügt er? Wenn Sie dies nur auf Basis der Aussage des Angeklagten entscheiden sollten, könnten Sie vermutlich ebenso gut eine Münze werfen. Eine Vielzahl von Forschungs­befunden zeigt, dass Personen, die zwischen Wahrheit und Lüge unter­scheiden sollen, im Durchschnitt nur in 55 % der Fälle richtig liegen – also knapp über dem Zufall. Ein Grund dafür besteht darin, dass wir auf die falschen Hinweise achten. Wir haben beispielsweise von klein auf gelernt, dass Lügner dem Gegenüber „nicht in die Augen sehen können“. Tatsächlich unter­scheiden sich jedoch ehrliche und lügende Personen nicht darin, wie häufig oder wie lange sie mit dem Gesprächs­partner Augenkontakt halten. Ein anderer Grund könnte jedoch auch darin bestehen, dass wir oft zu gut gelaunt sind. Diese Schlussfolgerung legt eine aktuelle Studie der Forscher Joseph Forgas und Rebekah East (University of New South Wales) nahe.

Die beiden Psychologen haben unter­sucht, welchen Einfluss die aktuelle Stimmung einer Person auf ihre Fähigkeit hat, Lüge und Wahrheit zu unter­scheiden. In ihrer Studie versetzten die Forscher jeweils eine Gruppe von Probanden in gute Stimmung und eine Gruppe in schlechte Stimmung, indem sie ihnen einen lustigen oder einen traurigen Filmausschnitt vorspielten. Anschließend zeigten Forgas und East den Probanden Videoaufnahmen von verschiedenen Personen, die bestritten, einen Diebstahl begangen zu haben. Einige der gefilmten Personen waren diesbezüglich aufrichtig, andere hingegen logen. Die Studien­teilnehmer sollten für jede der gefilmten Personen angeben, ob diese ehrlich war oder log. Dabei zeigte sich, dass schlecht gestimmte Teilnehmer Lügner sehr viel häufiger erkannten – sie hatten im Gegensatz zu Probanden in guter Stimmung eine deutlich überzufällige Trefferquote von 81 %. Die aufrichtigen gefilmten Personen wurden hingegen von allen Probanden unabhängig von ihrer Stimmung gleich häufig richtig eingeschätzt.

Woran liegt das? Forgas und East nehmen an, dass die Stimmungs­lage die Fähigkeit zum Erkennen von Lügen auf zwei Wegen beeinflusst. Zum Einen führt schlechte Laune dazu, dass wir anderen Personen generell mit mehr Misstrauen begegnen. Zum Anderen haben frühere Forschungs­arbeiten gezeigt, dass schlecht gestimmte Personen intensiver und genauer über Gesagtes nachdenken als Personen in guter Stimmung. Sowohl das generelle Misstrauen als auch das intensivere Nachdenken führten laut den Forschern in der Studie dazu, dass schlecht gestimmte Versuchspersonen besser in der Lage waren, Lügner zu identifizieren. Die misstrauische Grundhaltung der schlechtgelaunten Probanden wirkte jedoch hinderlich bei der Erkennung von aufrichtigen Personen. Deshalb hatten sie hier keinen Vorteil gegenüber Probanden in guter Stimmung.

Wenn unser Gegenüber schwindelt, kann schlechte Stimmung tatsächlich dazu führen, dass wir Lügen besser erkennen. Es bleibt uns also die Wahl, entweder glücklich und ein wenig leichtgläubig oder ein schlechtgela­unter Lügendetektor zu sein.

Forgas, J. & East, R. (2008). On being happy and gullible: Mood effects on skepticism and the detection of deception. Journal of Experimental Social Psychology, 44, 1362-1367.

Dieser Artikel ist in Psychologie-Heute erschienen (Januar 2009).www.psychologie-heute.de

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