Glücksformel: Erleben statt Besitzen

- David J. Grüning –

Erlebnisse wie Essen gehen oder Reisen scheinen das aktuelle Wohlbefinden mehr zu steigern, als der Konsum materieller Güter.

Wir alle kennen den Spruch, dass schöne Erlebnisse wertvoller seien als materieller Besitz. Mehrere Forschungs­projekte konnten im Einklang damit bereits zeigen, dass Menschen tendenziell glücklicher sind, wenn sie ihr Geld für Erlebnisse (z.B. Essen gehen) statt für Materielles (z.B. einen neuen Fernseher) ausgeben. Diese Studien sind jedoch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, da die Teilnehmenden meist gefragt wurden, wie sich ihr Verhalten in der Vergangenheit auf ihr Wohlbefinden ausgewirkt hatte. Denn menschliche Erinnerungen können anfällig für Verzerrungen sein (z.B. „früher war ja eh alles besser“). Befragt man beispielsweise Reisende während eines Urlaubs und zusätzlich einige Zeit danach, dann wird die Reise in der Rückschau häufig positiver bewertet als währenddessen.

Deshalb testete ein Forschungs­team um Amit Kumar, ob sich ein Unterschied im Wohlbefinden auch dann findet, wenn man Personen während oder kurz nach der Investition in ein Erlebnis oder in Materielles befragt. Die Forschenden führten zwei Studien durch, wobei sie knapp 8000 Teilnehmenden Fragebögen auf deren Smartphones schickten. Über mehrere Tage hinweg wurden die Teilnehmenden mehrmals täglich in ihrem Alltag befragt. Zunächst sollten sie angeben, wie glücklich sie momentan waren. Danach wurde gefragt, ob und wofür sie ihr Geld ausgegeben hatten – für etwas Materielles oder ein Erlebnis.

Beide Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Personen gaben an, glücklicher zu sein, wenn sie kurz zuvor in ein Erlebnis investiert hatten, als wenn sie nichts gekauft hatten. Genauso waren Personen glücklicher, nachdem sie etwas Materielles gekauft hatten, im Vergleich zu keiner Investition. Wie vermutet gaben die Teilnehmenden jedoch nach der Investition in ein Erlebnis an, glücklicher zu sein, als nach einer materiellen Investition. Beispielsweise waren Personen direkt nach einer Investition in ein Essen oder einen Kinobesuch durchschnittlich glücklicher, als nach dem Kauf von elektronischen Geräten, Kleidung oder Schmuck.

Das Forschungs­team konnte damit einen weiteren Hinweis dafür liefern, dass uns Investitionen in Erlebnisse glücklicher machen, als materieller Konsum. Interessant sind die Ergebnisse vor allem wegen des aufwändigen Studien­aufbaus. Durch die mehrmalige tägliche Befragung der Teilnehmenden in deren Alltag ist es unwahrscheinlich, dass Erinnerungs­verzerrungen die Ergebnisse maßgeblich beeinflusst haben. Die Forschenden können aber nicht ausschließen, dass andere Faktoren einen verzerrenden Einfluss haben könnten. Denkbar wäre, dass Materielles häufiger in stressigeren Situationen gekauft wird (z.B. ein Fernseher im überfüllten Elektronikfach­handel), während man Erlebnisse eher in entspannten Situationen genießt (z.B. ein Wellness-Tag im Spa). Zudem können natürlich auch materielle Anschaffungen unvergessliche Erlebnisse ermöglichen, wenn wir zum Beispiel einen spannenden Film mit unseren Liebsten auf dem neuen Fernseher schauen oder einen Ausflug mit dem neuen Fahrrad machen.

 

Kumar, A., Killingsworth, M. A., & Gilovich, T. (2020). Spending on doing promotes more moment-to-moment happiness than spending on having. Journal of Experimental Social Psychology, 88, 103971. doi.org/10.1016/j.jesp.2020.103971

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Michael Barthelmäs, Sabine Scholl

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