Großer Mund – große Wirkung?!

Hohe Führungskräfte werden in der Regel nicht in ihre Stelle geboren, sondern dafür ausgewählt. Die Auswahlprozesse können hierbei unterschiedlich komplex sein – in jedem Fall spielt die Bewertung durch andere eine entscheidende Rolle. Hätten Sie gedacht, dass neben den eigentlichen Führungsqualitäten oder anderen Aspekten, wie der Sympathie, auch Merkmale des Gesichts der KandidatInnen eine Rolle bei der Wahl spielen können?
Tatsächlich weisen Studien darauf hin, dass sowohl die Wahl als auch die Leistung von Führungspersonen in verschiedenen Bereichen (wie Politik oder Wirtschaft) mit dem Aussehen ihres Gesichts zusammenhängen können. So wurden beispielsweise Zusammenhänge zwischen Beurteilungen der Führungsfähigkeit von Geschäftsführern verschiedener Top-Unternehmen anhand ihrer Gesichter und dem Profit ihrer Unternehmen gefunden. Unklar ist bislang jedoch, welche spezifischen Merkmale des Gesichts für diese Zusammenhänge verantwortlich sind.
Daniel Re und Nicholas Rule nahmen an, dass die Breite des Mundes eine entscheidende Rolle spielen könne. Aus evolutionärer Sicht hängt dieses Gesichtsmerkmal mit körperlicher Dominanz zusammen, was wiederum die Wahrnehmung von Führungsqualitäten sowie die eigene Wirksamkeit fördern könnte. In einer ihrer Studien untersuchten die Forscher entsprechend den Zusammenhang zwischen der Breite des Mundes von leitenden Führungskräften in amerikanischen Top-Unternehmen und dem Erfolg dieser Organisationen. Dafür wurden Portraits von den Geschäftsführenden der 25 erfolgreichsten Unternehmen in den USA gesucht und jeweils die Breite des Mundes gemessen. In einer Online-Studie bewerteten Teilnehmende anhand der Bilder, für wie erfolgreich sie die Personen als Führungskräfte hielten.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Führungspersonen für umso erfolgreicher gehalten wurden, je breiter ihre Münder waren. Die Unternehmen von Führungskräften mit breiteren Mündern waren darüber hinaus auch tatsächlich erfolgreicher – in dem Sinne, dass sie einen größeren Profit aufwiesen. Weitere Studien des Forscherteams untermauern, dass spezifisch die Breite des Mundes für diese Effekte verantwortlich ist und beispielsweise nicht etwa die Breite des Kopfes. Entsprechend der Annahmen der Forscher zeigte sich zudem, dass die Breite des Mundes insbesondere mit der Wahrnehmung von Dominanz zusammenhängt, interessanter Weise nicht aber mit Kompetenz oder Vertrauenswürdigkeit. Inwiefern vielleicht gerade diese Dominanzwirkung den Führungskräften zum Beispiel in Verhandlungen einen Vorteil verschafft, sollte in weiteren Studien geklärt werden.
Allerdings ist zu beachten, dass sich die Forscher Re und Rule in ihrer Studie nur auf Geschäftsführer von Top-Unternehmen fokussierten. Sie nahmen an, dass diese hohen Führungskräfte über die gleichen Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen und besonders unter diesen Umständen nebensächlich erscheinende Faktoren, wie die Breite des Mundes, eine Rolle spielen können. Ein Einfluss mag sich auch insbesondere dann finden, wenn es sich um eher unbekannte Personen und Themen handelt. Die Forscher fanden erste Hinweise darauf bei politischen Wahlen. Überlegen Sie vor diesem Hintergrund also vielleicht doppelt, warum Sie jemanden wählen oder auf eine bestimmte Weise bewerten.
Re, D. E., & Rule, N. O. (2016). The big man has a big mouth: Mouth width correlates with perceived leadership ability and actual leadership performance. Journal of Experimental Social Psychology, 63, 86–93. doi: 10.1016/j.jesp.2015.12.005
Redaktion und AnsprechpartnerIn*: Janin Roessel*, Thomas Dyllick
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