Im Jahr 2016 besaßen die weltweit 8 reichsten Menschen schätzungsweise so viel wie die ärmere Hälfte der Menschheit, also 3,6 Milliarden Menschen zusammen. Obwohl demnach eine große Ungleichheit zwischen dem ökonomischen Wohlstand der Reicheren und Ärmeren dieser Welt besteht, wird sie oft nicht nur weit unterschätzt, sondern häufig sogar als rechtmäßig angesehen. Doch wovon hängt es ab, ob Menschen eine bestehende ökonomische Ungleichheit eher als rechtmäßig oder eher als unrechtmäßig ansehen?
Ein Forschungsteam um Susanne Bruckmüller vermutete, dass die Bewertung der Unrechtmäßigkeit einer ökonomischen Ungleichheit zum einen davon abhängen kann, als wie groß die Ungleichheit zwischen den Gruppen wahrgenommen wird. Kleinere Unterschiede sollten dabei einfacher zu rechtfertigen sein. Aufbauend auf vergangener Forschung zu der Formulierung von Vergleichen vermuteten sie zudem, dass auch die Art, wie die Ungleichheit sprachlich dargestellt wird, einflussgebend ist: So lässt sich einerseits darlegen, dass die Armen weniger haben als die Reichen. Andererseits kann man formulieren, dass die Reichen mehr haben als die Armen. Erstere Aussage rückt die Gruppe der Armen mit ihren schwierigen Lebensbedingungen in den Fokus. Gleichzeitig wird die Gruppe der Reichen als Ausgangslage, also Normalfall dargestellt. Da eine größere Ungleichheit hier also eine größere negative Abweichung von einem positiven Normalzustand darstellt, sollte sie als unrechtmäßiger angesehen werden als eine kleinere Ungleichheit. Bei der zweiten Formulierung rückt demgegenüber die Gruppe der Reichen mit ihrem luxuriösen Lebensstil in den Vordergrund, wobei die Gruppe der Armen als Normalfall dargestellt ist. Eine größere Ungleichheit stellt in diesem Fall also eine größere positive Abweichung von einem negativen Normalzustand dar. Dies sollten Menschen als weniger kritisch ansehen, weswegen eine größere wahrgenommene Ungleichheit in geringerem Ausmaß die Wahrnehmung der Unrechtmäßigkeit verstärken sollte.
Um diese Hypothesen zu überprüfen, führte das Forschungsteam ein Experiment durch, in dem sich die Teilnehmenden in die Rolle einer Führungskraft versetzen sollten. Eine Gruppe sollte sich vorstellen, dass nach einem erfolgreichen Geschäftsjahr die LeiharbeiterInnen für die gleiche Arbeit 2€ pro Stunde weniger bekämen als die StammarbeiterInnen. Der anderen Gruppe wurde vorgegeben, dass die StammarbeiterInnen 2€ pro Stunde mehr erhielten als die LeiharbeiterInnen. Im Anschluss sollten die Teilnehmenden mitteilen, wie groß sie diese Differenz zwischen den Gruppen einstuften und ob sie den Unterschied für rechtmäßig hielten.
Wie erwartet zeigte sich, dass eine wahrgenommene größere Ungleichheit in der Bezahlung als unrechtmäßiger angesehen wurde—aber nur bei der Formulierung, dass die LeiharbeiterInnenweniger erhielten als die StammarbeiterInnen. Bei der Formulierung, dass die StammarbeiterInnenmehr erhielten als die LeiharbeiterInnen führte eine als größer eingestufte Ungleichheit zu keiner Veränderung in der wahrgenommenen Rechtmäßigkeit der Vergütung.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Botschaft, dass gewisse Menschen weniger haben als andere, eher dazu führt, dass der Unterschied als unrechtmäßig wahrgenommen wird. Dies hat praktische Relevanz: Wenn Menschen eine Ungleichheit als unrechtmäßig einschätzen, sind sie eher motiviert, aktiv gegen diese Ungleichheit vorzugehen.
Bruckmüller, S., Reese, G., & Martiny, S. E. (2017). Is higher inequality less legitimate? Depends on How You Frame it! British Journal of Social Psychology. doi:10.1111/bjso.12202
Oxfam (2016). An economy for the 1%. How privilege and power in the economy drive extreme
inequality and how this can be stopped. 210 Oxfam Briefing Paper, January 2016. Retrieved
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