Hätte ich mich bloß anders entschieden… oder besser doch nicht?

-Lisa Gerdes und Veronika Rölle-

Entscheidungen zwischen zwei attraktiven Alternativen werden oftmals mehr bereut, wenn die tatsächlichen Konsequenzen der nicht gewählten Alternative unbekannt bleiben.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie es jetzt wohl wäre, wenn Sie einen anderen Berufsweg eingeschlagen hätten? Oder wenn Sie Ihre erste Liebe nicht für eine andere Liebe verlassen hätten? Nicht selten bereuen Menschen ihre Entscheidungen, wenn sie sich solche Fragen stellen. Bisherige Forschungs­befunde legen nahe, dass Menschen ihre Entscheidungen am meisten dann bereuen, wenn sie die Konsequenzen der nicht gewählten Alternative kennen und diese besser finden als die Konsequenzen ihrer gewählten Alternative. Die Forscher Daniel Feiler und Johannes Müller-Trede nahmen nun hingegen an, dass Menschen ihre Entscheidungen zwischen zwei attraktiven Alternativenam meisten bereuen sollten, wenn sie die Konsequenzen der nicht gewählten Alternative nicht kennen. Die Forscher argumentieren, dass die positiven Konsequenzen von attraktiven Alternativen häufig überschätzt werden. Wird man nach der Entscheidung nur mit den tatsächlichen Konsequenzen der gewählten Alternative konfrontiert, kann die Überschätzung nur für diese Alternative korrigiert werden. Die Überschätzung für die nicht gewählte Alternative bleibt bestehen und führt dazu, dass die Entscheidung eher bereut wird.

Um Ihre Annahmen zu testen, führten die Forscher mehrere Experimente durch. In einem dieser Experimente sollten sich die Versuchspersonen in die Rolle von Personal­verantwortlichen hineinversetzen und aus zehn Bewerbenden die zwei geeignetsten auswählen. Diese engere Auswahl konnten die Versuchspersonen nur anhand von Testergebnissen der Bewerbenden treffen, die aber deren wahre Fähigkeiten nicht exakt widerspiegelten. Danach sollten die Versuchspersonen aus ihren zwei ausgewählten Bewerbenden die geeignetste Person bestimmen. Nach dieser Entscheidung wurde ein Teil der Versuchspersonen über die wahren Fähigkeiten beider Bewerbenden informiert. Der andere Teil erhielt diese Information hingegen nur für die zum Schluss ausgewählte Person. Anschließend wurden alle Versuchspersonen gefragt, wie sehr sie ihre Entscheidung bereuten.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Versuchspersonen ihre Entscheidung mehr bereuten, wenn sie nur über die wahren Fähigkeiten der ausgewählten Person informiert wurden. Dabei spielten die wahren Fähigkeiten der ausgewählten Person keine Rolle. In einem weiteren Experiment konnten die Forscher zudem zeigen, dass die Versuchspersonen die unbekannten wahren Fähigkeiten der nicht ausgewählten Person überschätzten und dass sie ihre Entscheidung stärker bereuten, je höher diese Überschätzung war.

Wir bereuen unsere Entscheidungen also nicht nur, wenn wir wissen, dass die nicht gewählte Alternative bessere Konsequenzen gehabt hätte als die gewählte Alternative. Wir können unsere Entscheidungen sogar mehr bereuen, wenn wir die tatsächlichen Konsequenzen der nicht gewählten Alternative nicht kennen, Dies liegt daran, dass wir die positiven Konsequenzen der nicht gewählten Alternative häufig überschätzen. Lassen Sie sich also trösten: Höchstwahrscheinlich wäre Ihr Leben bei einer anderen Berufswahl oder mit Ihrer ersten Liebe auch nicht so perfekt gewesen, wie Sie es sich ausmalen.

 

Feiler, D., & Müller-Trede, J. (2022). The one that got away: Overestimation of forgone alternatives as a hidden source of regret. Psychological Science, 33(2), 314–324. https://doi.org/10.1177/09567976211032657

Redaktion und Ansprech­partnerin¹: Jennifer Eck¹, Lucia Boileau

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