Helfen macht gesund

- Kira Bisping –

Die Bereitstellung von Pflegeleistungen für den Ehe­partner kann sich positiv auf die eigene Gesundheit auswirken.

Heinz Müller ist seit 45 Jahren verheiratet. Mittlerweile sind er und seine Frau in die Jahre gekommen. Maria Müller ist ein „Pflegefall“ und kann Alltagsaufgaben nicht mehr alleine meistern. Natürlich ist sie ihrem Mann sehr dankbar, dass er  sie dabei unterstützt. Herr Müller  hat jedoch gelesen, dass es sehr ungesund sein kann, sich so aufopfernd um andere zu kümmern und hat nun Angst vor einem Burn-Out. Vielleicht wäre eine professionelle Betreuung im Pflegeheim für beide Seiten doch das Beste? Nicht unbedingt!

Bisher wurde angenommen, dass sich die Bereitstellung von Pflegeleistungen ausschließlich für den Empfänger dieser Leistungen positiv auswirkt. Die fürsorgende Person aber sollte  sogar ein höheres Krankheitsrisiko davon tragen. Hierbei spielen neben Schlafmangel und einem anspruchsvollen körperlichen Arbeits­pensum vor allem psychische Faktoren wie Stress oder Angst eine Rolle. Die Angst vor dem Tod des Partners, vor Ansteckung und vor Versagen sind dabei sehr  starke Stressoren.

Methodisch gesehen ist es aber häufig ein Fehler von Studien, die Gesundheitskonsequenzen, die durch die Bereitstellung aktiver Hilfe entstehen, nicht von solchen anderen Stressquellen, wie beispielsweise „Angst“, zu trennen. Zwar wird meistens von einem Zusammenhang zwischen der Bereitstellung von Pflegeleistungen und Stress ausgegangen, belegt ist dies aber keinesfalls. Eine Meta-Studie (d.h. eine Zusammenfassung von Untersuchungen zu diesem Thema) von Pinquart und Sorensen zeigte keinerlei Evidenz für diese Annahme.

Eine aktuelle Studie von Stephanie L. Brown und KollegInnen belegt nun eindrucksvoll, dass der bisher vermutete Zusammenhang zwischen Fürsorglichkeit und Gesundheitsgefährdung nicht so selbstverständlich ist, wie allgemein vermutet. Es wurde untersucht ob die Anzahl der Stunden, die eine Person in der Woche für die Pflege des Partners aufbringt, sich auf das Krankheits- und Mortalitätsrisiko, also das Risiko zu Sterben,  dieser Person auswirkt. Die Studie arbeitet mit Daten aus einer großen amerikanischen Gesundheits- und Pensionierungs­studie bei der 4298 verheiratete Personen, die in einem Zwei-Personen-Haushalt leben, befragt wurden.

Wenn pro Woche mehr als 14 Stunden für die Pflege des Ehe­partners geleistet wurden, dann fand man bei den befragten Personen ein sogar reduziertes Mortalitätsrisiko im Vergleich zu Personen, die keine Pflegeleistungen erbrachten. Bei Personen, die 1 bis 14 Stunden aufwanden, fand sich kein Zusammenhang zum Mortalitätsrisiko.  Wenn aber gleichzeitig der Krankheitsgrad des Partners berücksichtigt wurde, dann ergab sich  auch bei dieser Gruppe ein reduziertes Mortalitätsrisiko.

Die AutorInnen der Studie nehmen an, dass die Stressregulierung in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt. Beispielsweise können Hormone, die mit „Hilfe­verhalten“ in Verbindung stehen (z. B. Oxytocin) stresssenkend wirken. Die Studie belegt also, dass Herr Müller durch den Pflegeaufwand, den er für seine Frau betreibt, eventuell sogar profitiert.

Interessant wäre es natürlich, mittels weiterer Studien herauszufinden, ab welcher Stundenanzahl pro Woche sich das Bild umkehrt, denn es kann sicher nicht gesund sein, den Partner 24 Stunden am Tag zu versorgen.

Brown, S.L.; Smith, D.M.; Schulz, M.; Kabeto, M. K.; Ubel, P. A.; Poulin, M.; Yi, J.; Kim ,C. &  Langa, K. (2009). Caregiving Behavior is associated with Decreased Mortality Risk. PsychologicalScience 20(4), 488–94.

Pinquart, M. & Sorensen, S. (2007). Correlates of physical health of informal caregivers: A meta-analysis. Journals of Gerontology Series B: Psychological Science & Social Sciences, 62 B (2), 126–137.

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