Hungrig? Wie wäre es mit einer neuen Tasche?!

- Dennis Uhrig –

Hungergefühle können dazu führen, dass man nicht nur Nahrungs­mittel, sondern auch andere, nicht essbare Produkte lieber kaufen möchte.

Tina ist in der Stadt unterwegs und bemerkt, dass ihr Bauch grummelt. Sie kauft sich in der nächsten Bäckerei eine Brezel. Auch am nächsten Tag ist Tina unterwegs und bekommt Hunger. Als sie weiter durch die Stadt schlendert, entdeckt sie in einem Schaufenster eine Tasche, die sie sich prompt kauft. Könnte auch diese Handlung, wie zuvor Tinas Brezelkauf, vom Hunger getrieben sein?

Es erscheint nachvollziehbar, dass durch Hungergefühle nicht nur die Nahrungs­aufnahme getrieben wird, sondern auch die Suche sowie der Erwerb von Essbarem. Nach Alison Jing Xu und ihren Forschungs­kollegen führt Hunger auch zu einer allgemeinen Konsum­orientierung, die nicht auf Nahrung und deren Erwerb begrenzt ist. Demnach sollten bei Hunger Gedanken und Verhalten wahrscheinlicher werden, die sich allgemein auf den Erwerb und Konsum von etwas beziehen, sei es nun eine Brezel oder eine neue Tasche.

Um zu überprüfen, ob durch Hunger nicht nur Gedanken an Essen, sondern auch an den Erwerb von Waren leichter in den Sinn kommen, präsentierte das Forschungs­team Studien­teilnehmenden am PC Begriffe rund um Nahrung und Konsum sowie neutrale Begriffe. Diese wurden nur kurz eingeblendet und waren somit schwer erkennbar. Wenn Hunger nicht nur Gedanken an Nahrung sondern auch Konsumgedanken allgemein aktiviert, sollten hungrige Personen solche Wörter besser wahrnehmen können als gesättigte Personen. Tatsächlich erkannten hungrigere Teilnehmende nicht nur die Wörter in Bezug auf Nahrung besser, sondern auch die konsumbezogenen Begriffe! Nur bei neutralen Wörtern machte es keinen Unterschied, wie hungrig die Teilnehmenden waren.

Im nächsten Schritt untersuchte das Forschungs­team, ob sich Hunger tatsächlich auf die Intention oder den Erwerb von Produkten auswirken kann. Hierzu wurden Personen in einer weiteren Studie gebeten, vor dem Experiment mindestens vier Stunden lang auf Essen zu verzichten. Die Hälfte der Teilnehmenden durfte dann zu Beginn einen Kuchen verkosten, die andere Hälfte blieb hungrig. Später sollten alle im Rahmen einer Konsumenten­studie angeben, wie viele Produkte – hier waren es Marken-Papierklammern – sie mit nach Hause nehmen wollten. Das Experiment zeigte, dass hungrige Personen mehr Klammern mit nach Hause nahmen als satte Personen, obwohl die Produkte weder als attraktiver bewertet wurden noch den Hunger stillen konnten. 

Dass hungrige Menschen nicht nur mehr kostenlose Produkte mitnehmen, sondern möglicherweise sogar eine höhere Bereitschaft aufweisen, mehr Geld für nicht-essbare Produkte auszugeben, konnten Xu und ihre Kollegen ebenfalls bestätigen. Das Forschungs­team ging dazu in  Kaufhäuser und fand anhand der Quittungen von Einkaufenden, dass hungrige im Vergleich zu satten Kundinnen und Kunden im Schnitt mehr nicht-essbare Produkte einkauften und mehr Geld ausgaben. Dies war unabhängig davon, wie lange sie im Kaufhaus einkauften und in welcher Stimmung sie sich gerade befanden.

Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass Hunger uns nicht nur dazu antreibt zur nächsten Bäckerei zu gehen. Es hat vielmehr den Anschein, als könnte ein leerer Magen zudem unsere Geldbeutel für Büroklammern, oder in Tinas Fall eine Tasche, sowie andere nicht essbare Produkte öffnen.  

Xu, A. J., Schwarz, N., & Wyer Jr., R. S. (2015). Hunger promotes acquisition of nonfood objects. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(9), 2688-2692. doi: 10.1073/pnas.1417712112

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Mariela Jaffé, Julia Engel

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