Ich habe die Macht!

- Christiane Schöl –

Instabile Macht­verhältnisse und ein starkes Dominanzstreben lassen Führungs­kräfte egoistisch werden.

„Die sind doch alle korrupt!“; Wer hat diese Aussage über Politiker und Wirtschafts­bosse noch nicht gehört? Auch die Forschung zeigt, dass eine Machtposition dazu verleiten kann, nur die eigenen Interessen zu verfolgen und die Ziele der Gruppe außer Acht zu lassen. So können Personen, die über Macht verfügen, stärker nach ihrem freien Willen handeln, ohne soziale Konsequenzen befürchten zu müssen. Ihr Sozial­verhalten ist deshalb oft enthemmter und sie nehmen weniger Rücksicht auf andere.

Jon Maner und Nicole Mead zeigen in einer aktuellen Studie jedoch, dass man das differenzierter betrachten muss. Nicht jede/r in einer Machtposition nutzt diese für die eigenen Interessen aus. Eigenschaften der Person und der Situation spielen eine entscheidende Rolle. Maner und Mead zeigen, dass die Gefahr von Korruption vor allem dann besteht, wenn sich eine Führungs­person durch ein besonders starkes Dominanzstreben auszeichnet und gleichzeitig die hierarchischen Verhältnisse in einer Gruppe instabil sind -- kurzum, die Macht der Führungs­person in Frage steht.

Um dies zu untersuchen, wies das Forscherteam Probanden jeweils die Führungs­rolle in einer Dreier­gruppe zu. Außerdem wurde gesagt, dass die ihnen zugewiesene Führungs­position nicht sicher sei und neu vergeben werden könne, je nachdem wie die Einzelleistungen aller Gruppen­mitglieder während einer gemeinsamen Aufgabe ausfielen. Die Aufgabe der Dreier­gruppe bestand darin, möglichst viele Worträtsel zu lösen. Für jede richtige Antwort erhielt die Gruppe $2, und der Gesamtgewinn wurde zu gleichen Teilen zwischen den Gruppen­mitgliedern aufgeteilt. In einem Testdurchlauf wurden die Probanden mit der Aufgabe vertraut gemacht und erhielten im Anschluss Informationen über ihre eigenen Leistung und die der anderen TeilnehmerInnen. Dann wurde den Probanden mitgeteilt, dass sich zu viele TeilnehmerInnen für das Experiment angemeldet hätten, und sie mitentscheiden könnten, wer nicht zu ihrer Gruppe gehören sollte. Diese Information stellte ein Dilemma für diejenigen TeilnehmerInnen dar, deren Führungs­position nicht sicher war. Ein leistungs­starker Mitstreiter würde zwar stärker zum Gruppen­erfolg beitragen, gleichzeitig aber auch eine größere Bedrohung für die eigene Stellung in der Gruppe darstellen. Es zeigte sich, dass vor allem Probanden mit einem ausgeprägten Dominanzstreben die Sicherung der eigenen Position wichtiger war als der Erfolg der Gruppe. Um die Konkurrenz auszuschalten, sprachen sie sich stärker gegen leistungs­starke Kandidaten aus.

Muss also eine Führungs­kraft mit hohem Dominanzstreben um ihre Vorherrschaft bangen, besteht die Gefahr, dass sie den Erfolg der Gruppe aufs Spiel setzt, nur um ihre eigene Position zu sichern. Maner und Mead zeigen aber auch einen möglichen Ausweg aus dieser Misere: Sobald eine andere Gruppe mit der eigenen in Konkurrenz tritt, werden die Gruppen­mitglieder wieder zu Verbündeten und die Führungs­kraft besinnt sich auf das gemeinsame Gruppen­ziel. So wird aus dem Gegen-einander ein Gegen-andere und dadurch ein Miteinander.

Maner, J. K., & Mead, N. L. (2010). The essential tension between leadership and power: when leaders sacrifice group goals for the sake of self-interest. Journal of Personality and Social Psychology, 99, 482–497.

© Forschung erleben 2010, alle Rechte vorbehalten

Zurück