Stellen Sie sich vor, eine romantische Beziehung in Ihrem Bekanntenkreis geht zu Ende. Wie vorhersehbar würden Sie die Trennung im Nachhinein einschätzen? Vielleicht würden Sie denken: „Dass das nicht gehalten hat, war ja klar – die beiden hatten schließlich schon länger Probleme“. Mit einer solchen Einschätzung wären Sie nicht allein, denn oft wirken Ereignisse im Nachhinein viel vorhersehbarer, als sie es tatsächlich waren. Dieses Phänomen wird in der Forschung als Rückschaufehler bezeichnet. Ob beim Ende eines Films, eines sportlichen Wettbewerbs, oder einer romantischen Beziehung – rückblickend glauben wir häufig, dass der Ausgang offensichtlich war, sobald wir ihn kennen.
Ein Forschungsteam hat den Rückschaufehler im Kontext von romantischen Beziehungen in zwei Studien untersucht. Die Teilnehmenden – bestehend aus College-Studierenden und Erwachsenen – bekamen zunächst Informationen über ein junges Paar, Sofia und Daniel. Die Beziehung wurde sowohl mit Stärken (z.B. Vertrauen, gemeinsame Hobbys) als auch möglichen Problemen (z.B. Spannungen bzgl. unterschiedlicher Karrieren und Freundeskreise) beschrieben, um die Zukunft des Paares im Ungewissen zu halten. Einige Teilnehmende erhielten jedoch zusätzlich Informationen über den Beziehungsstatus sechs Monate später. So wurde einer Gruppe ein positiver „Ausgang“ mitgeteilt: Sofia und Daniel sind immer noch ein Paar (Studie 1) bzw. sogar verlobt (Studie 2). Eine zweite Gruppe erfuhr, dass sich das Paar getrennt hat. Eine weitere Gruppe erhielt hingegen keine Informationen über den weiteren Verlauf der Beziehung, um herauszufinden wie Teilnehmende die Beziehung unbeeinflusst vom Wissen über den „Ausgang“ bewerten würden. Abschließend gaben alle Teilnehmenden Bewertungen zum Ausgang der Beziehung, zu ihren Erwartungen und zur Qualität der Beziehung (z.B. wie gut sie zusammen passen) ab.
Teilnehmende, die von einer Trennung des Paares erfahren hatten, hielten einen negativen Verlauf der Beziehung für offensichtlicher, gaben rückblickend an, eher eine Trennung erwartet zu haben, und bewerteten auch die Qualität der Beziehung im Nachhinein als negativer als solche, die von einem positiven Ausgang erfahren oder keine weiteren Informationen erhalten hatten. Hingegen gab es kaum Unterschiede zwischen Teilnehmenden, die keine Information über den Beziehungsausgang erhalten hatten im Vergleich zu jenen, bei denen der Ausgang positiv ausfiel.
Die Bewertungen wurden also stärker durch die Information der Trennung als durch Informationen über die anhaltende Beziehung bzw. die Verlobung beeinflusst. Dies stimmt mit Forschung überein, die zeigt, dass Menschen oft stärker auf negative als positive Informationen reagieren.
Insgesamt legen die Ergebnisse der beiden Studien nahe, dass der Rückschaufehler auch bei romantischen Beziehungen existiert: Wenn wir von einer Trennung erfahren, sehen wir vor allem die negativen Aspekte der Beziehung und halten ihr Ende für vorhersehbar, selbst wenn wir das davor nicht getan haben. Wenn Sie sich also das nächste Mal bei dem Gedanken „das war ja von vornherein klar“ ertappen, dann machen Sie sich ruhig einmal den Rückschaufehler bewusst – denn nicht alles, was im Nachhinein klar erscheint, war im Voraus wirklich so offensichtlich.
Bleske-Rechek, A., Gunseor, M. M., & Nguyen, K. (2023). I “knew” they wouldn’t last: Hindsight bias in judgments of a dating couple. Social Psychological Bulletin, 18, Article e9967. https://doi.org/10.32872/spb.9967
Redaktion und Ansprechpartner*in¹: Janin Rössel¹, Lucia Boileau
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