Ich mag dich, aber ich weiß nicht, wieso

- Marit Eidt –

Fremde Personen, die Ähnlichkeiten zur eigenen Partnerin bzw. zum eigenen Partner aufweisen, werden im ersten Moment positiver wahrgenommen.

Der erste Eindruck von einer Person entsteht meist innerhalb weniger Sekunden. Das ist nicht viel Zeit, um eine fremde Person kennen zu lernen. Trotzdem entsteht blitzschnell und scheinbar ohne Grund ein Gefühl der Sympathie oder auch der Abneigung. Wirklich ohne Grund? Häufig erinnern uns fremde Menschen in irgendeinem Aspekt an eine Person, die wir bereits kennen.

So zeigten beispielsweise vorherige Studien, dass man eine fremde Person positiver bewertet, wenn sie der bzw. dem eigenen Lebens­gefährten/in ähnelt. Diese Ähnlichkeit führt dazu, dass die Partnerin bzw. der Partner ins Gedächtnis gerufen wird und dadurch die positiven Gefühle, die man für die Partnerin bzw. den Partner empfindet, auf die fremde Person übertragen werden. Da der erste Eindruck meist auf dem Aussehen, insbesondere auf dem Gesicht beruht, ist die Ähnlichkeit des Gesichts ein häufiger Auslöser für die Übertragung von positiven Gefühlen auf eine fremde Person.

Trotz dieser mehrfach bestätigten Er­kenntnisse bleibt bisher eine Frage zu diesem Phänomen offen: Der Effekt der Übertragung positiver Gefühle wurde bislang nur bei Personen entdeckt, die die Ähnlichkeit zwischen dem bzw. der Partner/in und einer fremden Person bewusst wahrgenommen haben. Wird eine unbekannte Person auch dann positiver bewertet, wenn die Ähnlichkeit von den Betrachtern gar nicht wahrgenommen wird?

Um dies zu untersuchen, befragte das Forschungs­team um Günaydin von der Cornell University 30 Paare zu der Qualität ihrer Beziehung. Im Anschluss wurde von jeder Person ein neutrales Foto aufgenommen, ähnlich wie bei einem Passfoto. Durch digitale Bildbearbeitung wurde das Bild anschließend mit dem Bild einer anderen Person desselben Geschlechts zusammengeführt. Dadurch entstand ein neues Gesicht, das der Person objektiv ähnelte. Für alle Teilnehmenden wurden so je 12 Bilder erstellt, die ihm oder ihr ähnelten.

Die Partnerin oder der Partner bewertete danach die 12 veränderten Bilder sowie 12 weitere Bilder, die keine Gemeinsamkeiten aufwiesen, hinsichtlich Eigenschaften wie Intelligenz, Unterstützung und Vertrauenswürdigkeit. Nach den Beurteilungen wurden alle Teilnehmenden gefragt, ob sie in manchen Gesichtern Ähnlichkeiten zu ihren Partnerinnen oder Partnern entdeckt hatten. Dadurch konnte man feststellen, ob die Ähnlichkeit bewusst wahrgenommen wurde.

Die Ergebnisse zeigen, dass fremde Personen, die Ähnlichkeiten zur Partnerin oder zum Partner aufwiesen, als positiver wahrgenommen wurden. Dieser Effekt war besonders stark, wenn sich das Paar in einer sehr glücklichen Beziehung befand und wenn es sich bei der bewertenden Person um eine Frau handelte. Interessanterweise kam es auch zu einer Übertragung positiver Gefühle, wenn die Ähnlichkeit zwischen Partner bzw. Partnerin und der fremden Person gar nicht bewusst erkannt wurde.

Falls Sie sich demnächst also wundern sollten, warum Sie eine unbekannte Person auf Anhieb sympathisch finden, denken Sie doch mal an das Gesicht ihres Partners bzw. ihrer Partnerin. Möglicherweise verbirgt sich hier eine Antwort.

Günaydin, G., Zayas, V., Selcuk, E., & Hazan, C. (2012). I like you but I don’t know why: Objective facial resemblance to significant others influences snap judgments. Journal of Experimental Social Psychology, 48, 350–353.

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