„Ich muss nicht aufs Auto fahren verzichten – ich ernähre mich schließlich vegan!“

- Melisa Yurdakul-

Das Bewusstsein für eigenes klima­freundliches Verhalten in einem Bereich kann das schlechte Gewissen in Bezug auf klimaschädigendes Verhalten in einem anderen Bereich reduzieren.

Die Erde wird immer wärmer. Aktuell gehen Wissenschaft­ler*innen davon aus, dass bei einem globalen Temperaturanstieg von über 1,5 °C mit drastischen Folgen für die Welt zu rechnen ist. Mit klima­freundlichem Verhalten können wir alle ein Stück weit dazu beitragen, dies zu verhindern. Beispielsweise können wir weniger tierische Produkte essen, seltener mit dem Auto fahren, weniger Flugreisen antreten und Gebrauchtes statt Neues kaufen. Im Alltag gelingt klima­freundliches Verhalten jedoch nicht immer – und das kann mit einem schlechten Gewissen verbunden sein. Das Gute daran: Ein schlechtes Gewissen kann dazu motivieren, sich zukünftig wieder klima­freundlicher zu verhalten.

Doch wann fehlt das schlechte Gewissen nach klimaschädlichem Verhalten eher: Wenn das eigene klima­freundliche Verhalten in einem anderen Bereich bewusst gemacht wird oder nicht? Eine Forschungs­gruppe um Axel Burger vermutete Ersteres. Denn wird das eigene klimaschädliche Verhalten mit dem eigenen klima­freundlichen Verhalten in einem anderen Bereich in Beziehung gesetzt, sollte es einfacher fallen, die Bedeutung des klimaschädlichen Verhaltens abzuwerten.  

Um ihre Annahme zu prüfen, befragten die Forschenden in einer Studie nur Personen, die zuvor angegeben hatten, Fleisch zu konsumieren und seit mindestens zwei Jahren keine Flugreise angetreten zu haben. Im ersten Fall verhielten sich die Befragten somit klimaschädlich, im zweiten Fall klima­freundlich. Der Hälfte der Befragten wurde zunächst ihr eigenes klima­freundliches Verhalten bewusst gemacht. Dafür lasen sie Informationen zu den Aus­wirkungen von Flugreisen auf den Klimawandel. Zudem beantworteten sie Fragen zu ihrer eigenen Flugabstinenz, beispielsweise wie schwer ihnen diese fiel und wie stolz sie darauf waren. Anschließend folgten Informationen und Fragen zum Thema Fleischkonsum. Die Befragten sollten unter anderem angeben, wie stark ihr schlechtes Gewissen deswegen ausgeprägt war und wie sehr sie motiviert waren, ihren Fleischkonsum zu verringern. Die andere Hälfte der Befragten erhielt die Informationen und Fragen in umgekehrter Reihenfolge. Sie beurteilten somit zuerst ihren Fleischkonsum, bevor sie an ihr klima­freundliches Verhalten erinnert wurden.

Wie von den Forschenden erwartet, hatten die Befragten ein weniger schlechtes Gewissen aufgrund ihres Fleischkonsums, wenn ihnen zuvor ihre Flugabstinenz bewusst gemacht wurde. Dieser Effekt zeigte sich insbesondere für diejenigen, denen Klimaschutz sehr wichtig war. Was zunächst paradox klingt, kann so erklärt werden: Wenn eine Person einerseits Klimaschutz als wichtig ansieht, sich aber andererseits klimaschädlich verhält, widerspricht das eigene Verhalten dem Selbstbild, eine umweltbewusste Person zu sein. Sie ist daher besonders motiviert, diesen Widerspruch aufzulösen, indem sie die Bedeutung von Fleischkonsum abwertet („Ach, so schlimm ist es nicht!“). Die Befragten mit einem weniger schlechten Gewissen berichteten zudem eine geringere Motivation, ihren Fleischkonsum zu verringern.

Die Ergebnisse legen nahe, dass es keine gute Idee ist, das eigene klimaschädliche Verhalten in einem Bereich mit dem eigenen klima­freundlichen Verhalten in einem anderen Bereich in Beziehung zu setzen. Vielmehr sollte das eigene klimarelevante Verhalten für jedem Bereich getrennt kritisch reflektiert werden, um die Motivation zu klima­freundlichem Verhalten zu maximieren.

 

Burger, A. M., Schuler, J., Eberling, E. (2022). Guilty pleasures: Moral licensing in climate-related behavior. Global Environmental Change, 72, Article 102415. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2021.102415

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Jennifer Eck¹, Mariela Jaffé

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