„Ich war ja schon immer der Meinung...“

- Mathias Twardawski –

Diskussionen mit Personen gleicher (politischer) Ansichten führen zu einer unbewussten Polarisierung der eigenen Meinung.

Kaum eine Wahl hat die Lücke zwischen den politischen Lagern in Amerika so groß werden lassen wie die Präsidentschafts­wahl 2016. Während die einen über das Ergebnis jubelten, konnten die anderen nur ungläubig den Kopf schütteln. Die politischen Entwicklungen der letzten Monate haben jedoch nicht nur in den USA für eine starke Polarisierung gesorgt. Auch in Deutschland und vielen weiteren europäischen Ländern waren die Meinungen wohl nie geteilter als aktuell. Für diese Entwicklung mit­verantwortlich werden unter anderem die sozialen Medien gemacht. So scheinen beispielsweise die Algorithmen in Facebook dafür zu sorgen, dass wir hauptsächlich mit Inhalten konfrontiert werden, die unserer (politischen) Meinung und unserem Lebens­stil entsprechen. Bisherige Forschung zeigt, dass die Auseinandersetzung mit zur eigenen Meinung „passenden“ Informationen und Diskussionen die Polarisierung dieser Meinung begünstigt. Wirklich problematisch könnte diese einseitige Betrachtung von Informationen insbesondere dann werden, wenn uns die Polarisierung unserer eigenen Meinung gar nicht bewusst wäre und wir dieser Entwicklung daher nicht aktiv entgegenwirken könnten. Genau dies hat eine Forschungs­gruppe aus den USA vermutet und deshalb näher untersucht.

In einer Studie der Forschungs­gruppe um Jessica Keating sollten mehrere Studierende untereinander diskutieren, ob George W. Bush oder Barack Obama der bessere Präsident war. Die Versuchsteilnehmenden wurden vorab befragt, in welchem Ausmaß sie einen der beiden Präsidenten präferierten. Anschließend wurden die Diskussions­gruppen anhand dieser Meinung gebildet, sodass die Studierenden beider politischer Lager jeweils unter sich waren. Ziel dieser Diskussionen sollte eine kurze Begründung sein, weshalb die Gruppe „ihren Kandidaten“ für den besseren Präsidenten hielt. Nach Abschluss der Diskussion und gemeinsamer Formulierung der Begründung gaben alle Teilnehmenden noch einmal an, in welchem Ausmaß sie einen der beiden Präsidenten befürworteten. Darüber hinaus sollten sie einschätzen, wie sie diese Frage vor der Diskussion beantwortet hatten. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich die Meinung der Studierenden durch die Diskussion mit Gleichgesinnten zu einem Extrem polarisiert hatte – nämlich zugunsten des vorher bereits präferierten Präsidenten. Interessanterweise hatten die Studierenden diese Polarisierung jedoch gar nicht als solche wahrgenommen, sondern haben vielmehr gedacht, dass ihre Meinung schon vorab derart ausgeprägt war.

So scheint es nicht nur, als würde sich unsere (politische) Meinung durch eine einseitige Auseinandersetzung mit Inhalten polarisieren. Vielmehr nehmen wir von diesem Prozess noch nicht einmal selbst etwas wahr. Dies sollte uns deshalb weiter über unsere Diskussionslandschaft und unser Mediennutzungs­verhalten zu denken geben. Solange die sozialen Medien ihre Algorithmen jedoch nicht ändern, können nur wir selbst dieser Beeinflussung aktiv entgegenwirken, indem wir uns auch mit Beiträgen auseinandersetzen, die nicht unserer Meinung entsprechen. Vielleicht können dann auch mehr Menschen verstehen, wie Donald Trump der 45. Präsident von Amerika werden konnte. 

Keating, J., Van Boven, L., & Judd, C. M. (2016). Partisan underestimation of the polarizing influence of group discussion. Journal of Experimental Social Psychology, 65, 52–58. doi:10.1016/j.jesp.2016.03.002

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Jennifer Eck*, Anna Bruk

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