Im Gleichschritt, Marsch!

- Stephan Bedenk –

Synchrone Handlungen können Vertrauen und Kooperations­bereitschaft in Gruppen fördern.

Denken wir über uniformes Verhalten nach, so kommen uns wahrscheinlich zuerst negative Assoziationen in den Sinn. Wir erinnern uns an Bilder aus der deutschen Geschichte von militärischen Aufmärschen und aufgeputschten Massen, die im Gleichklang nationalistische Parolen rufen. Tatsächlich aber machen viele (und nicht unbedingt negative) soziale Rituale Gebrauch vom Prinzip der Synchronität: Protagonisten in Karnevalsumzügen bewegen sich sprichwörtlich im Gleichschritt und Gebete in Kirchen und Gesänge in Fußballstadien werden meist synchron vorgetragen.

Doch welche Aus­wirkungen hat Synchronität auf unser Verhalten in der Gemeinschaft? Gleichmäßige Handlungen, so die Meinung vieler ForscherInnen, betonen Gemeinsamkeiten und verstärken somit die Verbundenheit innerhalb einer Gruppe. Scott Wiltermuth und Chip Heath, zwei Wissenschaft­ler der Universität Stanford, schlossen aus diesen Überlegungen, dass synchrone Handlungen einen positiven Einfluss auf tatsächliches kooperatives Verhalten in Gruppen haben könnten.

Um ihre Annahme zu testen, führten Wiltermuth und Heath ein Experiment in zwei Phasen durch: Zunächst baten sie die Teilnehmenden unter einem Vorwand, in Dreier­gruppen das Universitäts­gelände zu durchqueren. Während ein Teil der Gruppen keine weiteren Anweisungen bekam, sollten einige Gruppen im Gleichschritt, also synchron, über das Gelände laufen. In der darauf folgenden zweiten Phase des Experiments nahmen alle Versuchspersonen an einem Gemeinschafts­spiel teil, bei dem die TeilnehmerInnen Geld verdienen konnten. Das Besondere an diesem Spiel: Orientierte sich ein/e Spieler/in nur am eigenen Gewinn, so reduzierte sich automatisch die Auszahlung für alle anderen Mitspielenden. Vermutete ein/e Spieler/in zudem, dass einer der anderen Teilnehmenden nur auf den eigenen Gewinn aus sein könnte, so konnte er/sie sich vorsorglich dagegen absichern. Doch auch diese Form des Misstrauens gegenüber den Mitspielenden wurde in dem Spiel vermerkt und führte automatisch zu einer geringeren Auszahlung für sich selbst und alle anderen. Mit anderen Worten: Die Höhe des Gewinns richtete sich nicht nur nach dem eigenen Spiel­verhalten, sondern auch nach der Einschätzung des Spiel­verhaltens der anderen Teilnehmenden. Den höchstmöglichen Gewinn konnten die TeilnehmerInnen nur dann erzielen, wenn sie einen hohen Gewinn für alle anstrebten und dieses Ziel auch bei ihren MitspielerInnen vermuteten.

Die Spielergebnisse bestätigten die Annahmen der beiden Forscher aus Stanford: Teilnehmende, die zuvor den Campus im Gleichschritt überquert hatten, zeigten sich im anschließenden Spiel vertrauensvoller, kooperativer und kassierten dadurch höhere Gewinne als Teilnehmende ohne vorherige „Marschinstruktion“. Für Wiltermuth und Heath stellen diese Ergebnisse einen weiteren Beleg dafür dar, dass Synchronität tatsächlich nicht nur eine ästhetische Funktion auf Paraden erfüllt. Vielmehr können synchrone Handlungen in Gruppen dafür sorgen, dass einzelne Personen die Interessen anderer Gruppen­mitglieder in ihre Entscheidungen mit einbeziehen anstatt nur eigene Interessen zu verfolgen und somit – im wahrsten Sinne des Wortes – aus der Reihe zu tanzen. 

Wiltermuth, S. S., & Heath, C. (2009). Synchrony and cooperation. Psychological Science, 20(1), 1–5.

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