Ist Schadenfreude wirklich die schönste Freude?

- Annika Schenkluhn –

Wer ein geringes Selbstwertgefühl besitzt, neigt nach eigenen Misserfolgen eher zu Schadenfreude.

Immer mehr Fernsehsendungen und Tratsch-Zeitschriften nutzen die Freude an Malheuren anderer, um hohe Einschaltquoten oder Verkaufszahlen zu erzielen. So sind besonders die Fehltritte berühmter Persönlichkeiten, Fotos von ungeschminkten oder schlecht gekleideten Prominenten, aber auch Missgeschicke im Freundeskreis oder der Familie beliebt. Der Grund für Schadenfreude ist häufig, dass sie uns selbst im direkten Vergleich mit anderen besser dastehen lässt. In Folge erhöht sich unser eigenes Selbstwertgefühl und wir fühlen uns selbst besser. Aber in welchen Situationen neigen Menschen insbesondere zur Schadenfreude? 

Mit dieser Frage setzte sich das Forschungs­team um Wilco van Dijk auseinander. Das Forschungs­team vermutete, dass Menschen nach Misserfolgen, welche eine Bedrohung ihres Selbstwerts darstellen, mit Schadenfreude reagieren um sich selbst wieder besser zu fühlen. Insbesondere Menschen mit ohnehin geringerem Selbstwertgefühl sollten diese Bedrohung als besonders negativ empfinden und dazu neigen, ihren Selbstwert mithilfe von Schadenfreude wiederherzustellen.

Um diese Annahmen zu überprüfen, bat das Forschungs­team Teilnehmende in einer Studie zunächst, ihre Zufriedenheit mit den eigenen Fähigkeiten und persönlichen Erfolgen zu bewerten. Direkt danach bearbeiteten die Teilnehmenden eine Aufgabe, welche angeblich ihre intellektuellen Fähigkeiten testete. Unabhängig davon, wie gut sie diese Aufgabe tatsächlich durchführten, erhielt die eine Hälfte der Teilnehmenden ein positives Feedback („Sie waren unter den besten 10%“) und die andere Hälfte negatives Feedback („Sie waren unter den schlechtesten 10%“). Danach sahen die Teilnehmenden ein Video, welches den misslungenen Auftritt einer Sängerin in einer niederländischen Casting-Show zeigte. Im Anschluss an das Video wurden alle nach ihrer Schadenfreude und ihrem Mitgefühl gegenüber der Person befragt.

Die Ergebnisse der Studie stützen die Vermutungen des Forschungs­teams. Teilnehmende mit geringem Selbstwert empfanden mehr Schadenfreude, wenn sie zuvor negatives Feedback erhalten hatten als wenn sie positives Feedback zu hören bekamen. Die Teilnehmenden mit einem hohen Selbstwert unterschieden sich nicht in ihrem Maß an Schadenfreude. Allerdings hatten weder Selbstwert, noch das erhaltene Feedback einen Einfluss auf das empfundene Mitleid gegenüber der Sängerin. 

Alles in allem ist festzuhalten, dass Schadenfreude ein Indiz für ein niedriges Selbstwertgefühl dieser Person in Kombination mit erlittenen Misserfolgen sein kann. In den meisten Fällen ist sie sicherlich nicht böse gemeint. Wie anfangs erwähnt kommt es auch vor, dass man Schadenfreude gegenüber Verwandten oder Freunden empfindet. Dennoch sollte man beim nächsten Empfinden von Schadenfreude überlegen, ob man damit nicht nur versucht, die Defizite von anderen dafür auszunutzen, um die eigenen zu verdrängen und damit das eigene niedrige Selbstwertgefühl zu überspielen.

Van Dijk, W., Ouwerkerk, J., van Koningsbruggen, G. & Wesseling, Y. (2012). “So you wanna be a pop star?”: Schadenfreude following another's misfortune on TV. Basic and Applied Social Psychology, 34,168–174.

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