Je mehr Freizeit, desto zufriedener?

-Charlotte Julia Grefenstein-

Nicht nur wenig, sondern auch viel Freizeit kann sich in geringerer Zufriedenheit äußern.

 

Stellen Sie sich vor, Sie stecken in einer stressigen Lebens­phase, in der Ihre Freizeit deutlich zu kurz kommt. Sind Sie un­zufrieden und sehnen sich nach Urlaub? – Vermutlich. Stellen Sie sich nun vor, im nächsten halben Jahr täglich sieben Stunden zur freien Verfügung zu haben. Sehen Sie sich unglücklich? – Vermutlich nicht.

Die meisten würden wohl zustimmen, dass es zu wenig Freizeit gibt. Eine Forschungs­gruppe um Marissa Sharif ist der Frage auf den Grund gegangen, ob es auch so etwas wie zu viel Freizeit gibt. Außerhalb der Arbeits­zeit fallen natürlich auch Hausarbeit oder andere Pflichten und Termine an. Das Forschungs­team betrachtete aber spezifisch die freie Zeit für Dinge und Aktivitäten, die man gerne macht, als wertvoll erachtet und Freude bereiten. Kann es auch hiervon ein Zuviel geben?

Laut den Forschenden ja. Zum einen könnte es sein, dass viel Freizeit ab einem bestimmten Punkt nichts besonderes mehr darstellt und sie weniger genossen wird. Zum anderen könnten Menschen bei viel Freizeit das Gefühl haben, ihre Zeit nicht produktiv und sinnbringend genug zu nutzen.

Ihre Fragestellung untersuchten die Forschenden zunächst mit zwei groß angelegten Befragungen von über 35.000 US-Amerikaner*innen. Wie man intuitiv vermuten würde, ging mehr Freizeit mit einem höheren Maß an berichteter Lebens­zufriedenheit einher – aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Ab fünf Stunden wurde mit steigender Freizeit sogar eher eine geringere Lebens­zufriedenheit betrachtet. Dieses Muster zeigte sich sowohl bei Arbeits­tätigen als auch bei Personen, die nicht arbeits­tätig waren. Eine Freizeit von zwei bis fünf Stunden am Tag schien optimal zu sein.

Experimentelle Studien untermauerten diese Befunde. Hierbei sollten sich die Teilnehmenden beispielsweise vorstellen, über sechs Monate hinweg täglich entweder sehr wenig (15 Minuten), mittelmäßig (3,5 Stunden) oder sehr viel (7 Stunden) Freizeit zu haben. Anschließend gaben die Teilnehmenden an, wie zufrieden sie sein würden. Es zeigte sich, dass sehr wenig und sehr viel Freizeit mit einer niedrigeren Zufriedenheit einherging. Die Personen mit einer mittleren Anzahl an Stunden für ihre Freizeit berichteten im Schnitt eine höhere Zufriedenheit.

Die Studien weisen zudem daraufhin, dass es eine große Rolle spielt, wie Personen ihre Freizeit nutzen. So berichteten Personen mit sehr viel Freizeit, die in ihrer Freizeit allein waren oder unproduktiven Tätigkeiten nachgingen (beispielsweise allein Fernsehen gucken), eher ein geringes subjektives Wohlbefinden. Wenn in der Freizeit jedoch sozialen oder produktiven Tätigkeiten nachgegangen wurde (beispielsweise Volleyball spielen), war selbst bei sehr viel Freizeit das subjektive Wohlbefinden nicht negativ beeinträchtigt.

Besonders viel Freizeit kann also zu einer Wahrnehmung von mangelnder Produktivität und Sinnhaftigkeit führen, was sich wiederum in einer geringeren Zufriedenheit äußern kann. Für Personen, die auf einmal sehr viel freie Zeit zur Verfügung haben (beispielsweise durch Arbeits­losigkeit oder Renteneintritt) empfiehlt sich daher, die neugewonnene Zeit mit sinnbringenden, sozialen und produktiven Tätigkeiten zu verbringen.

Sharif, M. A., Mogilner, C. & Hershfield, H. E. (2021). Having too little or too much time is linked to lower subjective well-being. Journal of Personality and Social Psychology, 121(4), 933–947. https://doi.org/10.1037/pspp0000391

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Janin Rössel¹, Mona Salwender

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