Kleider machen Kompetenz

- Alena Friedrich –

Sexy gekleideten Frauen in Machtpositionen unterstellt man geringere Kompetenz als konservativ gekleideten Frauen.

Dass es im beruflichen Kontext zwischen Männern und Frauen noch immer keine wirkliche Gleichbehandlung gibt, ist nichts Neues. Dass Menschen Vorurteile in sich tragen ebenso wenig (z.B. dass Frauen im Vergleich zu Männern als weniger durchsetzungs­fähig gelten). Neu ist hingegen, dass Frauen diese Vorurteile teilweise durch ihr eigenes Verhalten schüren und sich den beruflichen Weg nach oben selbst erschweren. Es soll hier jedoch weniger um eine Anleitung gehen, wie Frauen ihr Verhalten ändern können, sondern es soll vielmehr auf bestehende, teilweise destruktive Vorurteile aufmerksam gemacht werden. Wie, das erläutern Arbeiten von Melissa Wookey, Nell Graves und J. Corey Butler sowie Peter Glick, Sadie Larson, Cathryn Johnson und Heather Branstiter.

Die Forschungs­teams untersuchen, inwieweit die Kompetenzwahrnehmung einer Frau durch ihre Kleidung oder die Kenntnis ihres Berufes beeinflusst wird. Die Forscherteams baten weibliche und männliche Probanden, eine ihnen unbekannte Frau auf einem Foto zu beurteilen. Sie sahen entweder eine konservativ gekleidete Frau (Bluse und Businessanzug) oder eine sexy gekleidete Frau (Bluse weit aufgeknöpft und kein Jackett). Die Frauen wurden als gleich attraktiv eingeschätzt.

Der Hälfte der Probanden sagte man dann, die Frau auf dem Foto wäre die Chefin einer Werbeagentur, der anderen Hälfte sagte man, es handele sich um eine Sekretärin. Die Teilnehmenden sollten nun verschiedene Eigenschaften der abgebildeten Frau einschätzen: Abitur­durchschnitt, Intelligenz, Führungs­stil, Kommunikation, Jobwissen, soziale Fähigkeiten, etc. Die Angaben wurden zu zwei Gesamtwerten zusammen gefasst – einer für generelle Kompetenz, und einer für Sozial­kompetenz.

Die seriös gekleidete (vermeintliche) Chefin bekam den höchsten allgemeinen Kompetenzwert. An zweiter Stelle kam die seriös gekleidete (vermeintliche) Sekretärin. Die schlechtesten Bewertungen bekamen die sexy gekleidete Sekretärin und die sexy gekleidete Chefin. Frauen, die sich sexy kleiden, werden also hinsichtlich ihrer allgemeinen Kompetenz geringer eingeschätzt als konservativ gekleidete Frauen, von Männern und Frauen gleichermaßen.

Hinsichtlich der Sozial­kompetenz zeigte sich überraschend ein anderes Bild. Hier bekamen die sexy gekleideten Sekretärinnen die beste, die sexy gekleidete Chefin jedoch erneut die schlechteste Bewertung. Sexy Kleidung wird also mit guten Sozial­fähigkeiten in Verbindung gebracht, jedoch nur bis zu einer gewissen Hierarchieebene. Eine sexy gekleidete Chefin erhielt also sowohl für ihre generelle Kompetenz als auch für ihre Sozial­kompetenz die schlechteste Bewertung.

Wenn eine Frau als kompetent wahrgenommen werden möchte, dann tut sie diesen Ergebnissen zufolge gut daran, sich nicht zu aufreizend anzuziehen, vor allem ab einer bestimmten Hierarchieposition. Das eigentliche Problem liegt jedoch nicht in den Frauen und ihrer Kleiderwahl, sondern in der Existenz solcher mit­unter zweifelhaften Vorurteile. Die Frage ist daher vor allem, wie man Vorurteile wie diese aus der Welt schaffen kann.

Wookey, M.L., Graves, N.A., Butler, J.C. (2009).Effects of a sexy appearance on perceived competence of women. Journal of Social Psychology, 149 (1), 116–118.

Glick, P., Larsen, S., Johnson, C., Branstiter, H. (2005). Evaluations of sexy women in low- and high-status jobs. Psychology of Women Quarterly, 29, 389–395. 

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