Klimawandel? Das ist doch nur ein Mythos...

- Melissa Jauch –

Welche Einstellung Menschen zum Klimawandel haben, hängt unter anderem von ihrem Bedürfnis ab, das bestehende wirtschaft­liche System als gerecht zu bewerten.

Im vergangenen Sommer zog Harald Lesch, Fernsehmoderator und Physikprofessor aus München, die Wut vieler AfD-AnhängerInnen auf sich. In einem Video setzte er sich mit der Klimapolitik der Partei auseinander und demaskierte das Leugnen des Klimawandels als wissenschaft­lich nicht haltbar. Mit dieser Ansicht ist er nicht alleine, denn 97% aller KlimaforscherInnen sind sich darüber einig, dass der Klimawandel existiert und größtenteils durch den Menschen verursacht ist. Trotzdem ist beispielsweise in den USA nur rund die Hälfte der Bevölkerung von der Existenz des Klimawandels überzeugt. Aber woher stammt diese Skepsis gegenüber dem Klimawandel?

Bisherige Forschung konnte zeigen, dass die Skepsis gegenüber einem menschlich verursachten Klimawandel teilweise durch das Bedürfnis nach Rechtfertigung des wirtschaft­lichen Systems bedingt ist. Menschen mit einem hohen Bedürfnis nach wirtschaft­licher Systemrechtfertigung sind bestrebt, das wirtschaft­liche System als gerecht zu bewerten, selbst wenn es das faktisch nicht ist. Die Ankerkennung eines menschlich verursachten Klimawandels bedeutet, das bestehende wirtschaft­liche System zu kritisieren. Bei einem hohen Bedürfnis nach wirtschaft­licher Systemrechtfertigung sollte die Skepsis gegenüber dem Klimawandel folglich höher sein. Das Forschungs­team um Erin Hennes nahm ferner an, dass der Zusammenhang zwischen dem Bedürfnis nach Systemrechtfertigung und der Einstellung zum Klimawandel unter anderem auf eine verzerrte Erinnerung an Informationen über den Klimawandel zurückgeführt werden kann.

Um ihre Annahme zu testen, zeigte das Forschungs­team Studien­teilnehmenden ein Video über wissenschaft­liche Er­kenntnisse zum Klimawandel. Anschließend wurden die Teilnehmenden gebeten, bestimmte Informationen aus dem Video zu erinnern und anzugeben, inwieweit sich ihre Einstellung zum Klimawandel durch das Video geändert hat. Zum Schluss wurde das Bedürfnis nach wirtschaft­licher Systemrechtfertigung erfasst. Es zeigte sich, dass Teilnehmende mit einem hohen Bedürfnis nach wirtschaft­licher Systemrechtfertigung die wissenschaft­lichen Er­kenntnisse zum Klimawandel als weniger gravierend erinnerten. Diese verzerrte Informations­erinnerung trug wiederum dazu bei, dass sie in Folge des präsentierten Videos weniger vom Klimawandel überzeugt waren als zuvor.

Das Forschungs­team konnte zudem zeigen, dass das Bedürfnis nach wirtschaft­licher Systemrechtfertigung keinen Einfluss auf die Erinnerung an wissenschaft­liche Er­kenntnisse zum Klimawandel hatte, wenn den Teilnehmenden zuvor vermittelt wurde, die Wirtschaft befinde sich in einer stabilen Lage. Die Forschenden erklären diesen Befund damit, dass eine stabile Wirtschafts­lage das Bedürfnis nach Systemrechtfertigung befriedigen kann.

Beim Klimawandel handelt es sich um ein ernstzunehmendes Problem, das ein Umdenken in Wirtschaft und Gesellschaft erfordert. Um Menschen hiervon zu überzeugen, reicht es scheinbar nicht, sie lediglich mit wissenschaft­lichen Er­kenntnissen zu konfrontieren. Ebenso müssen Sorgen um die Stabilität des wirtschaft­lichen Systems entkräftet werden, damit auch bei einem hohen Bedürfnis nach Systemrechtfertigung die Erinnerung an klimarelevante Informationen nicht verzerrt ist.

Achorner, J. (17. August 2016). Ein Analyst für Deutschland. taz. Abgerufen von www.taz.de/!5325767/

Hennes, E. P., Ruisch, B. C., Feygina, I., Monteiro, C. A., & Jost, J. T. (2016). Motivated recall in the service of the economic system: The case of anthropogenic climate change. Journal of Experimental Psychology: General, 145, 755–771. doi:10.1037/xge0000148

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Jennifer Eck*, Judith Tonner

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