Körper zu Hause, Kopf im Büro

- Anne Landhäusser –

Abstand von der Arbeit schützt vor Erschöpfung und psychosomatischen Beschwerden.

Ein ganz gewöhnlicher Abend in der Kneipe. Es geht auf elf Uhr zu, zwei junge Leute sitzen beim vierten Bier. Er erzählt vom Wochenende, sie schweigt, ist offensichtlich nur noch körperlich anwesend. „Hallo!“, holt er sie geistig an den Tresen zurück. „Noch da?“ „Oh, sorry“, entgegnet sie. „Ich war grad in Gedanken bei der Arbeit. Hab mir überlegt, wie wir unser Projekt konkret umsetzen. Meinst du, wir könnten das kurz durchsprechen?“

Können: In den meisten Fällen ja. Sollen: Besser nicht! Gerade bei Berufen mit hohen geistigen Anforderungen besteht die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben nicht nur verschwimmen, sondern sich irgendwann in Luft auflösen. „Bei der Arbeit“ ist man eigentlich immer, auch noch wenn man körperlich längst zu Hause angekommen ist. Insbesondere wenn die Anforderungen im Beruf sehr hoch sind, weil Deadlines näher rücken oder viele Projekte gleichzeitig verfolgt werden müssen, tendieren viele dazu, die Arbeit nicht im Büro zu lassen, sondern mit nach Hause zu nehmen. Dabei kann gerade ein solches Verhalten irgendwann zum Burnout führen.

Sabine Sonnentag und ihre Kolleginnen berichten von einer Studie mit über 300 Angestellten aus Deutschland und der Schweiz. Diese Studie zeigt, dass es gerade die Auszeiten sind, die uns bei hohen Anforderungen im Job vor dem Ausbrennen bewahren können. Zwar erscheint es durchaus denkbar, dass der Arbeits­stress reduziert wird, wenn man die ein oder andere Nachtschicht einlegt oder ein paar Aufgaben am Wochenende erledigt. Schließlich lassen sich durch solche Mehr-Arbeit To-do-Listen abarbeiten, was wiederum den Zeitdruck reduzieren könnte. Aber das scheint nur kurzfristig eine Lösung zu sein und bringt langfristig Probleme mit sich. Teilnehmende der Studie, die selten Abstand von der Arbeit nahmen, berichteten ein Jahr später ein höheres Maß an emotionaler Erschöpfung als diejenigen, die nach der Arbeit einfach mal abschalteten. Zudem zeigte sich, dass hohe Anforderungen im Beruf nur bei solchen Personen psychosomatische Beschwerden wie Herz­probleme oder Schwindelgefühl vorhersagten, denen der Abstand zur Arbeit fehlte. Eine regelmäßige Auszeit scheint demnach selbst in einem stressigen Arbeits­umfeld vor Erschöpfungs­zuständen zu schützen.

Das Forschungs­team sieht die Bedeutung von klaren Auszeiten darin, dass sie ein Auffrischen der Energieressourcen ermöglichen. Um konzentriert und effektiv arbeiten zu können, ist es eben gerade wichtig, diese Arbeit regelmäßig aus dem eigenen Kopf zu verbannen. Wer hat noch nie die Erfahrung gemacht, dass die besten Einfälle meist dann kommen, wenn man gerade mit etwas ganz Anderem beschäftigt ist? Gerade wenn viel zu tun ist, erscheint es ratsam, abends die Arbeit zur Seite zu legen und abzuschalten – zum Beispiel mit einem guten Buch, beim Sport, mit den Kindern auf dem Spielplatz. Oder mit dem Kollegen in der Kneipe bei einem netten Gespräch – über das letzte Wochenende, nicht über das anstehende Projekt.

Sonnentag, S., Binnewies, C., & Mojza, E. (2010). Staying well and engaged when demands are high: The role of psychological detachment. Journal of Applied Psychology, 95 (5), 965–976.   

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