Komm, wir erzählen uns was!

- Clarissa Koch, Gabriela Petrova –

Beim Kennenlernen kann mehr Sympathie hervorgerufen werden, wenn man von Beginn an abwechselnd statt nacheinander von sich erzählt.

Tanja möchte ihr Single-Dasein beenden. Sie macht sich daher viele Gedanken darüber, wie sie sich beim Videochat mit ihrer neuen Online-Bekanntschaft verhalten soll. Soll sie ihr Gegenüber erst ausführlich erzählen lassen, bevor sie redet? Soll sie erst ausführlich über sich erzählen, bevor sie ihr Gegenüber zu Wort kommen lässt? Oder soll sie vielleicht doch eher versuchen, gleich auf die Antworten ihres Gegenübers zu reagieren als auch ihm die Gelegenheit geben, auf ihre Antworten etwas zu sagen?

Laut einem Forschungs­team um Susan Sprecher wäre sie mit der letzten Strategie am besten beraten. Eine Grundannahme hierbei ist, dass das Preisgeben von persönlichen Informationen anderen Personen signalisiert, dass wir sie mögen und ihnen vertrauen. Gleichermaßen sollte man sich selbst gemocht fühlen, wenn jemand einem solches Vertrauen entgegen bringt. Die Forschenden vermuteten daher, dass Gesprächs­partnerInnen am ehesten Vertrauen und Sympathie aufbauen, wenn sie von Beginn an abwechselnd etwas von sich erzählen. Insbesondere Internetchats mögen aber zu eher  „einseitigen“ Gesprächen verleiten, bei denen beide Personen nacheinander länger von sich berichten. Auch wenn dabei die gleichen Informationen ausgetauscht werden, gehen die Beteiligten hier nicht direkt aufeinander ein, so dass es vermutlich länger dauert bis von beiden Seiten Vertrauen gezeigt wird. Ob ein wechselseitiger Austausch tatsächlich zu einem positiveren Eindruck auf beiden Seiten beim Kennenlernen führt als einseitiges Erzählen, testete das Forschungs­team in einer Untersuchung mit Studierenden.

Die Teilnehmenden wurden zufällig paarweise in zwei Gruppen unterteilt. Die PartnerInnen kannten sich nicht und führten räumlich getrennt zwei Gesprächsrunden mit vorgegebenen „Kennenlernfragen“ über Skype. Bei den Paaren der ersten Gruppe erzählte immer nur eine Person, während die andere ausschließlich zuhörte. Nach der ersten Gesprächsrunde wurden hier die Rollen getauscht. In der zweiten Gruppe sollte hingegen in beiden Gesprächsrunden abwechselnd erzählt und zugehört werden. Nach jeder Gesprächsrunde wurden die füreinander empfundene Sympathie, die gegenseitig wahrgenommene Nähe und Ähnlichkeit der jeweiligen Gesprächs­partnerInnen sowie die Freude am Gespräch erfasst.

Wie erwartet berichteten Paare, die im Wechsel erzählt und zugehört hatten, nach beiden Gesprächsrunden mehr Sympathie, Nähe und Ähnlichkeit und empfanden mehr Freude am Gespräch als Paare, in denen die Rolle des Erzählens und die des Zuhörens zeitlich getrennt war. Welche Faktoren zur Überlegenheit der wechselseitigen Kommunikation beitragen, muss zukünftige Forschung noch zeigen. Sprecher und ihre KollegInnen erachten die Möglichkeit, direkt aufeinander einzugehen sowie gemeinsam den Intimitätsgrad des Gesprächs festzulegen, als wichtig. Den Ergebnissen zufolge wäre Tanja also gut beraten, wenn sie von Beginn an auf einen wechselseitigen Austausch achtet, indem sie sich und ihrem Gesprächs­partner genügend Raum lässt, um Persönliches zu erzählen als auch aufeinander einzugehen.

Sprecher, S., Treger, S., Wondra, J. D., Hilaire, N., & Wallpe, K. (2013). Taking turns: Reciprocal self-disclosure promotes liking in initial interactions. Journal of Experimental Social Psychology, 49, 860–866.

© Forschung erleben 2014, alle Rechte vorbehalten

Zurück