Komplimente mit fadem Beigeschmack?

- Melissa Montagna –

Wenn Individuen ein positives Stereotyp hören, nehmen sie automatisch an, dass ihr Gegenüber ihnen gegenüber voreingenommen ist und auch negative Stereotype hat.

Christian will schon lange mit Lisa ausgehen. Schließlich gibt er sich einen Ruck und offenbart ihr, dass er sie sehr möge und dass er es sehr lobenswert fände, wie warmherzig Frauen im Allgemeinen seien. Diese Qualität würde er auch an ihr besonders schätzen. Als er sie jedoch auf einen Kaffee einlädt, lehnt sie dankend ab. Christian ist völlig frustriert und fragt sich was schiefgelaufen ist.

Die Forschenden John Oliver Siy und Sapna Cheryan haben sich mit dieser Frage beschäftigt: Wie wirken sich Stereotype aus, wenn sie positiv sind? Also zum Beispiel die Annahme, dass Frauen im Allgemeinen warmherzig seien? Sie vermuteten, dass ein positives Stereotyp nicht in einem positiven Eindruck resultiert, sondern bei den Empfängerinnen und Empfängern dazu führt, dass sie sich auf ihre Gruppen­zugehörigkeit reduziert fühlen. Weiterhin nahmen sie an, dass eine Person, die ein positives Stereotyp äußert, zugleich den Eindruck vermittelt auch negative Stereotype und Vorurteile zu haben.

Um diese Annahme zu testen, führten sie mehrere Untersuchungen durch. Eine Studie untersuchte, wie sich die Äußerung positiver Stereotype gegenüber Frauen (z.B. Frauen sind warmherzig und fürsorglich) auf deren Wahrnehmung des Gegenübers auswirken. In der Studie wurden Studentinnen zufällig in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Ein Teil der Studentinnen bekam einen Text, in dem ein Mann ein positives Stereotyp gegenüber einer Frau äußerte. Eine andere Gruppe erhielt einen Text, in dem die Frau nicht stereotypisiert wurde. Anschließend wurden die Teilnehmerinnen gefragt, für wie sexistisch und voreingenommen sie den dargestellten Mann hielten. Das Ergebnis der Untersuchung bestätigte die Theorie der Forscher. Die Frauen, die den Text gelesen hatten, in dem eine Frau Eigenschaften auf Grund ihres Geschlechts zugesprochen bekam (ein positives Stereotyp), stuften den dargestellten Mann als voreingenommener ein und hielten es für wahrscheinlicher, dass er auch negative Stereotype gegenüber Frauen hat. Zudem fühlten sie sich eher auf ihr Geschlecht reduziert. Dieses Muster bestätigte sich in einer nachfolgenden Studie, in der AmerikanerInnen mit asiatischen Wurzeln eine Person als rassistischer beurteilten, wenn diese zuvor erwähnte, dass Personen asiatischer Herkunft gut in Mathe seien.

Die Ergebnisse beider Studien zeigen, dass nicht nur negative Stereotype wie beispielsweise „Frauen sind zu emotional“ oder „Asiaten sind distanziert“ an das adressierte Individuum ein Signal von Voreingenommenheit senden, sondern auch positive Stereotype. Das muss nicht bedeuten, dass ein freundlich gemeintes Kompliment sofort negative Assoziationen hervorruft – dennoch sollte man vermeiden, eine Person auf ein Stereotyp zu reduzieren, ob positiv oder negativ.

Daher könnte man spekulieren: Hätte Christian zu Lisa gesagt, dass er sie warmherzig finde und nicht betont, dass sie warmherzig sei, weil sie eine Frau ist, dann hätte sie vielleicht auch die Einladung zum Kaffee angenommen.

Siy, J. O., & Cheryan, S. (2016). Prejudice masquerading as praise: The negative echo of positive stereotypes. Personality and Social Psychology Bulletin, 42 (7), 941–954. doi: 10.1177/0146167216649605

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Mariela Jaffé*, Katrin Bayer

© Forschung erleben 2016, alle Rechte vorbehalten

Zurück