Lächeln ist nicht immer die beste Medizin

- Michael Wagner –

Ob unser Wohlbefinden durch häufiges Lächeln ab- oder zunimmt, hängt davon ab, ob wir mit dem Lächeln einen positiven oder negativen Gemütszustand verbinden.

Dass glückliche Menschen häufig lächeln, ist bekannt. Gute FreundInnen raten daher oftmals, bei schlechter Laune einfach zu lächeln, um so das Wohlbefinden wieder zu steigern. Dieses Rezept gegen Verstimmungen nimmt einen entgegengesetzten Zusammenhang an, der in den letzten Jahren Unterstützung durch psychologische Forschung erhielt: Wer lächelt, selbst ohne glücklich zu sein, den macht dieses Lächeln aufgrund des erwarteten gemeinsamen Auftretens von Lächeln und Wohlbefinden oftmals glücklicher. Doch ist es wirklich immer so einfach, glücklich zu werden? Oder kann Lächeln manchmal sogar das Gegenteil herbeiführen?

Eine Forschungs­gruppe um Aparna Labroo untersuchte diese Fragestellung. Sie nahm an, dass Lächeln nur unter bestimmten Bedingungen ein Anzeichen für einen positiven Gemütszustand sei. Denn ein Lächeln könne einerseits zwar bereits bestehende Freude ausdrücken (das sogenannte reaktive Lächeln). Allerdings würde oftmals auch nur gelächelt, um sich bei schlechtem Gemütszustand besser zu fühlen. Außerdem würden Verlegenheit, Ärger oder auch Traurigkeit häufig mit einem Lächeln überspielt. Wer lächele, könne demzufolge also glücklich, aber eben auch unglücklich sein. Die Forschungs­gruppe vermutete deshalb, dass häufiges Lächeln nur bei solchen Personen zu mehr Wohlbefinden führe, die ein Lächeln als Ausdruck von bereits bestehender Freude einschätzten (reaktiv). Personen, die ein Lächeln eher mit dem Versuch, glücklicher zu werden, oder dem Überspielen von negativen Emotionen in Verbindung bringen (proaktiv), sollten sich im Umkehrschluss schlechter fühlen, wenn sie häufig lächeln. Denn Lächeln lege den Personen nahe, dass sie aktuell gar nicht glücklich seien.

Um diese Annahmen zu überprüfen, führten die Forschenden ein Experiment durch. Hierbei wurde einer Gruppe von Teilnehmenden glaubhaft gemacht, dass Menschen meist reaktiv lächeln, also wenn sie bereits glücklich sind. Der anderen Gruppe wurde vorgegeben, dass Menschen eher proaktiv lächeln, also um nach Verstimmungen glücklicher zu werden. Anschließend erhielt ein Teil der Befragten die Aufgabe, sich einen Stift zwischen die Zähne zu klemmen, ohne ihn mit den Lippen zu berühren. Durch diese Bewegung wurde die Lachmuskulatur aktiviert und somit ein Lächeln simuliert. Der andere Teil der Befragten wurde veranlasst, einen Stift zwischen die Lippen zu legen. Auf diese Art wurden die Lachmuskeln still gehalten, ein Lächeln also nicht ausgelöst. Diese Aufgabe sollte jeweils 10 Mal wiederholt werden. Letztlich wurden die Teilnehmenden gefragt, wie glücklich sie mit ihrem Leben seien.

Wie erwartet zeigte sich, dass sich die Teilnehmenden, bei denen die reaktive Interpretation des Lächelns aktiviert worden war, nach häufigem Lächeln glücklicher fühlten als nach häufigem Nicht-Lächeln. Die Teilnehmenden, denen jedoch glaubhaft gemacht worden war, dass Menschen meist proaktiv lächeln, reagierten gegenteilig: Sie waren glücklicher, wenn sie häufig nicht gelächelt hatten. 

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass der gut gemeinte Ratschlag, zu lächeln, um das Wohlbefinden aufzuhellen, auch das Gegenteil auslösen kann. Denn nur, wenn Lächeln reaktiv interpretiert wird, scheint es den gewünschten Effekt zu erzielen.

Labroo, A. A., Mukhopadhyay, A., & Dong, P. (2014). Not always the best medicine: Why frequent smiling can reduce wellbeing. Journal of Experimental Social Psychology, 53, 156–162.

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