Lass dich verführen!

- Annika Otto –

Wenn Menschen dazu angehalten werden, angenehmes aber lasterhaftes Konsum­verhalten zu zeigen anstelle dieses frei zu wählen, fühlen sie sich vitaler, sind kreativer und können mehr Selbstkontrolle ausüben.

Wie sieht es mittlerweile mit Ihren guten Vorsätzen für 2015 aus? Haben Sie sich vielleicht vorgenommen, weniger Schokolade und Chips zu essen, besser auf ihr Budget zu achten oder doch öfter mal den Wirtschafts­teil anstelle der Klatschspalte in der Zeitung zu lesen? Den liebsten Versuchungen zu widerstehen ist gar nicht so leicht. Und wird man doch schwach und gibt der Versuchung nach, so fühlt man sich häufig zwar im ersten Moment gut, jedoch folgen später oft die Schuldgefühle. 

Die Forschenden Fangyuan Chen und Jaideep Sengupta von der Hong Kong University of Science und Technology waren der Auffassung, dass dies nicht immer so sein muss. Sie nahmen an, dass von außen vorgegebenes lasterhaftes Verhalten, wie etwa der angeordnete Verzehr von leckerer aber kalorienreicher Schokolade, auch im Nachhinein Wohlbefinden erzeugen sowie zu besseren Leistungen in Selbstkontroll- und Kreativitätsaufgaben führen kann. Sie begründeten dies damit, dass den Menschen so die Schuldgefühle bezüglich des Verhaltens genommen würden und sie sich völlig auf die positiven Aus­wirkungen des angenehmen Konsumerlebnisses konzentrieren können. Im Widerspruch dazu hatte bisherige Forschung nahe gelegt dass insbesondere die freie Wahl eines Verhaltens zu erhöhtem Wohlbefinden führt. 

Um diese neue Annahme zu untersuchen, stellte das Forschungs­team den Teilnehmenden ein „trockenes“ Lehr­buch und ein unterhaltsames Buch über Prominente zur Auswahl. Mit einem Gutschein sollten die Teilnehmenden eines der Bücher kaufen. Dabei durfte eine Gruppe frei zwischen beiden Exemplaren entscheiden, während der anderen Gruppe ein bestimmtes Buch zum Kauf vorgegeben wurde. 

Der Kauf des Promi-Buchs wurde als angenehm wahrgenommen, war aber auch von Schuldgefühlen begleitet. Diese waren stärker, wenn das Buch selbst gewählt war, als wenn zu dessen Kauf aufgefordert wurde. Auch fühlten sich die Teilnehmenden, denen der Kauf vorgegeben war, vitaler und zeigten bessere Leistungen in einer Kreativitätsaufgabe als Personen, die das Promi-Buch selbst wählten oder die das Lehr­buch erstanden. Darüber hinaus erhöhte sich in weiteren Studien in Folge von lasterhaftem, aber nicht selbst gewähltem Verhalten die Fähigkeit zur Selbstkontrolle in Konzentrations­tests. Gleiche Effekte ergaben sich, wenn die Teilnehmenden über den Verzehr von Schokoladenkuchen entscheiden sollten.

Lasterhaftes Verhalten scheint dementsprechend mit geringeren Schuldgefühlen einherzugehen und auch nachträglich zu erhöhter Vitalität und Leistungs­fähigkeit zu führen, sofern man die Entscheidung dazu nicht selbst treffen musste. Durch die Fremdentscheidung werden die Schuldgefühle reduziert und das angenehme Konsumerlebnis kann uneingeschränkt genossen werden. Wenn es allerdings darum geht, sich zu weniger angenehmen Verhalten, wie etwa zur Hausarbeit durchzuringen, so gilt wohl weiterhin dass man sich besser fühlt, wenn man sich frei für dieses Verhalten entscheidet. Außerdem sollte bedacht werden, dass lasterhaftes Verhalten häufig mit Konsequenzen einhergeht und Un­zufriedenheit darüber langfristig nicht ausgeschlossen ist. 

Entscheidungs­autonomie und Disziplin sollten sich also weiterhin auszahlen. Wenn Sie aber das nächste Mal im Restaurant entgegen Ihrer guten Vorsätze doch ausnahmsweise ein Dessert genießen wollen, so werden sie sich vielleicht wohler damit fühlen, wenn Ihre Begleitung für Sie bestellt.

Chen, F., & Sengupta, J. (2014). Forced to Be Bad: The Positive Impact of Low-Autonomy Vice Consumption on Consumer Vitality. Journal of Consumer Research, 41(4), 1089-1107. doi:10.1086/678321

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Selma Rudert*, Svenja Seeger

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