Liebe deine Feinde! – Leichter als gedacht?
Schon die Bibel sagt: „Liebe deine Feinde“. Doch wie schwierig ist das in die Tat umzusetzen!? Es muss nicht einmal eine tiefe Ablehnung jemandem gegenüber sein. Manchmal haben wir ein negatives Gefühl gegenüber unseren Mitmenschen und entwickeln gewohnheitsmäßige Vermeidungstendenzen, selbst wenn sich die Person vielleicht nett verhält. Können wir solche ablehnenden Reaktionen einfach ablegen?
Ein Forschungsteam der Universität Regensburg untersuchte, wie sich gewohnheitsmäßige Vermeidungs- und Annäherungstendenzen umformen lassen. Konkret interessierte sie, ob es leichter ist, Vermeidungs- oder Annäherungstendenzen abzulegen. Anders gefragt: Ist es leichter, sich einem ehemaligen „Feind“ anzunähern, als sich von einem Freund oder einer Freundin abzuwenden?
Um diese Frage zu untersuchen, ließ das Forschungsteam Studierende zunächst Verhaltenstendenzen gegenüber unbekannten Personen erlernen. Dafür sollten sie sich mit einer Figur auf dem Bildschirm identifizieren. Die Aufgabe war es, sich mit der Figur immer wieder von den Gesichtern bestimmter Personen zu entfernen und anderen anzunähern. Ähnlich wie im Alltag lernten die Teilnehmenden Vermeidungstendenzen auf Personen, die häufig einen wütenden Ausdruck zeigten, und Annäherung auf lächelnde Personen. Sie verinnerlichten, wenn man so will, bestimmte Gesichter als FreundInnen oder FeindInnen – und zeigten das Verhalten auch dann, wenn die Personen ganz neutral schauten. Es folgte die Phase der Umgewöhnung, in der die Gesichter von netten zu bösen, beziehungsweise von bösen zu netten Ausdrücken wechselten. Die Teilnehmenden sollten ihre Reaktion auf die Personen entsprechend verändern – Wie schwer würde ihnen das fallen?
Hatten die Teilnehmenden erst gelernt, sich von einer Person abzuwenden, fiel es ihnen erstaunlich leicht, sich dieser nun zuzuwenden – sie machten relativ wenige Fehler. Viel mehr Schwierigkeiten bereitete hingegen das sich Abwenden von Personen, denen sie sich zuvor zugewandt hatten. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Teilnehmenden allgemein schnellere Reaktionen beim Annäherungsverhalten zeigten. Solche spontanen Impulse dürften schwerer zu verändern sein.
Kehren wir zum Anfang zurück, scheint es also leichter zu sein, sich „Feinden“ anzunähern als sich plötzlich von FreundInnen abzuwenden. Für beide Seiten hört sich das doch positiv an. Insbesondere scheint „Liebe deinen Nächsten“ selbst bei negativen Tendenzen in diesem Licht gar nicht mehr so schwer. Springen wir also über unseren Schatten, und gehen einen Schritt auf andere zu.
Kuhbandner, C., & Haager, J. S. (2016). Overcoming approach and withdrawal habits: Approaching former enemies is easier than withdrawing from former friends. Journal of Experimental Psychology: General, 145, 1438-1447. doi: 10.1037/xge0000216.
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