Lüge auf den ersten Blick

- Jonas Zhang –

Wenn Personen sexuell erregt sind, tendieren sie verstärkt dazu, eine*n potenzielle*n Partner*in beim ersten Treffen zu täuschen oder anzulügen, um sich so besser darzustellen.

Jede*r von uns kennt es: Das erste Date! Wir möchten unbedingt einen guten Eindruck hinterlassen. So machen wir uns für das Treffen hübsch, zeigen im Gespräch Gemeinsamkeiten auf und betonen solche Qualitäten, von denen wir glauben, dass sie der anderen Person wichtig sind. Denn letztendlich kann ein guter Eindruck zum sexuellen Kontakt oder sogar zur langfristigen Beziehung führen. Doch würden wir auch so weit gehen und lügen, um unser Gegenüber beim ersten Date zu beeindrucken? Und inwiefern spielt sexuelle Erregung in diesem Zusammenhang eine Rolle?

Bisherige Forschung zeigt, dass sexuelle Erregung unser Verhalten während eines ersten Treffens mit einem*r potenziellen*r Partner*in beeinflusst: So werden einerseits verstärkt Verhaltensweisen gezeigt, die eine mögliche langfristige Beziehung begünstigen (z. B. Hilfe anbieten). Andererseits steigt die Bereitschaft, Handlungen vorzunehmen, die den unmittelbaren sexuellen Kontakt wahrscheinlicher machen (z. B. Zuneigung äußern). Darauf aufbauend vermutete ein Forschungs­team um Gurit Birnbaum, dass Personen insbesondere bei sexueller Erregung dazu tendieren, ihr Gegenüber bei einem ersten Treffen zu täuschen oder anzulügen, um sich selbst positiver darzustellen.

Um diese Annahme zu prüfen, führten die Forschenden verschiedene Studien mit heterosexuellen Singles durch. In einer der Untersuchungen wurde jeder Teilnehmerin zufällig ein Teilnehmer zugelost. In separierten Räumen sahen beide zunächst entweder ein erotisches oder ein neutrales Video. Danach erhielten sie die Aufgabe, gemeinsam für eine andere Person eine Entscheidung zu fällen. In der dazugehörigen Diskussion sollten sie jedoch die gegensätzlichen Positionen vertreten. Am Ende der Studie wurden die Teilnehmenden gefragt, inwiefern sie ihrem Gegenüber beim Diskutieren zugestimmt hätten. Die Zustimmung kann als Strategie angesehen werden, sich selbst gut darzustellen, um der anderen Person näher zu kommen. Tatsächlich gaben die Teilnehmenden, denen das erotische Video gezeigt worden war, stärker an, dem Gegenüber zugestimmt zu haben, als die anderen Teilnehmenden.

In einer weiteren Studie wurde überprüft, ob Personen in Abhängigkeit ihrer sexuellen Erregung auch offenkundig lügen würden, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Wieder wurden einigen Teilnehmenden erotische Inhalte, anderen neutrale Inhalte präsentiert. Anschließend chatteten die Teilnehmenden mit einem*r angeblichen potenziellen Partner*in. Dabei sollten sie mitteilen, wie viele sexuelle Partner*innen sie bislang gehabt hatten. Am Ende der Studie wurde in einem anonymen Fragebogen nochmals nach der Anzahl der sexuellen Partner*innen gefragt. Die meisten Menschen gewinnen einen besseren Eindruck von anderen, wenn diese weniger sexuelle Partner*innen hatten. So fanden die Forschenden auch, dass Teilnehmende grundsätzlich eine geringere Anzahl im Chat angaben als im anonymen Fragebogen. Dieser Unterschied war jedoch für diejenigen am ausgeprägtesten, die zuvor erotische Inhalte präsentiert bekommen hatten. Dies spricht für die Hypothese, dass Personen für eine bessere Selbstdarstellung beim ersten Date lügen, insbesondere wenn sie sexuell erregt sind.

Wenn wir beim nächsten Date mit unserem Gegenüber sprechen, sollten wir also beachten, dass nicht alles Gesagte wahr sein muss. Gerade beim ersten Treffen scheint positive Selbstpräsentation oft wichtiger als Authentizität.

 

Birnbaum, G. E., Iluz, M., & Reis, H. T. (2020). Making the right first impression: Sexual priming encourages attitude change and self-presentation lies during enco­unters with potential partners. Journal of Experimental Social Psychology, 86, 103904, 1–10. https://doi.org/10.1016/j.jesp.2019.103904

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Bianca von Wurzbach¹, Mona Salwender

© Forschung erleben 2020, alle Rechte vorbehalten

Zurück