Es ist kein Geheimnis, dass die Abgase von Verkehr und Industrie die Luft weltweit verschmutzen und sowohl der Natur als auch der Gesundheit der Menschen erheblich schaden. Wenig ist hingegen über psychologische Folgen des Lebens in verschmutzter Luft bekannt. Bisherige Forschung konnte zeigen, dass in Gegenden mit hoher Luftverschmutzung vermehrt Depressionen und Suizidversuche auftreten. Auf welche Weise Luftverschmutzung einen Einfluss auf das Wohlbefinden haben kann und ob Luftverschmutzung ebenfalls eine Auswirkung auf das moralische Verhalten von Menschen haben kann, ist bislang allerdings noch ungeklärt.
Um dieser Frage nachzugehen, analysierte ein amerikanisches Forschungsteam zunächst einen Datensatz, in dem die Luftverschmutzungswerte (z.B. die Kohlenmonoxidbelastung) und die Verbrechensraten von 9.360 US-Städten im Zeitraum 2001 bis 2009 dokumentiert wurden. Wie erwartet zeigte sich, dass in Städten mit stärkerer Luftverschmutzung die Verbrechensrate höher lag. Dieser Zusammenhang blieb auch dann bestehen, wenn in der statistischen Analyse weitere Faktoren, die für diesen Zusammenhang verantwortlich sein könnten, berücksichtigt wurden (z.B. die Einwohnerzahl, soziodemografische Merkmale). Die Untersuchung dieses Datensatzes legt nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und unmoralischem Verhalten gibt.
Um herauszufinden, ob Luftverschmutzung auch wirklich zu unmoralischem Verhalten führt, planten die Autoren eine Studie, in der einer Teilnehmerhälfte das Foto einer luftverschmutzten und der anderen das einer sauberen Gegend gezeigt wurde. Teilnehmende wurden zudem instruiert, sich vorzustellen, in der jeweiligen Gegend zu leben. Es zeigte sich, dass Personen nach der Betrachtung der luftverschmutzten Gegenden bei einer Aufgabe am Computer sowie bei einem Würfelwurf häufiger schummelten, als wenn sie eine saubere Gegend betrachtet hatten. Die Autoren vermuteten, dass Luftverschmutzung zu Angst führt und dass erhöhte Angst unethisches Verhalten begünstigt. Deshalb ließen sie die Teilnehmenden zusätzlich einen Text über den Alltag in der jeweiligen Gegend schreiben und schätzen die Texte bezüglich der geäußerten Ängstlichkeit ein. Wie vermutet wurden in Texten über luftverschmutzte Gegenden mehr Wörter verwendet, die auf Ängstlichkeit schließen lassen, als in Texten über saubere Gegenden. Dieses Ergebnis legt nahe, dass Personen aufgrund erhöhter Ängstlichkeit, ausgelöst durch verschmutzte Luft, unmoralischer handeln könnten. Diesen Zusammenhang erklären die Autoren dadurch, dass unmoralisches Verhalten dazu dienen kann, Ängstlichkeit zu bewältigen.
Die Forschungsarbeit legt nahe, dass Personen, die Luftverschmutzung erleben, eher unethisches Verhalten zeigen könnten und dass gesteigerte Ängstlichkeit der Grund dafür sein könnte. Eine kritische Betrachtung der Studie lässt jedoch auch die Vermutung zu, dass die Teilnehmenden möglicherweise lediglich aufgrund einer negativen Stimmung, die die luftverschmutzen Bilder induzierten, mehr unmoralisches Verhalten zeigten. Weitere Forschung zu der Frage, ob uns schmutzige Luft zu „bösen“ Menschen macht, ist unbedingt notwendig, um belastbare Aussagen treffen zu können. Erkenntnisse aus Forschungsarbeiten wie dieser könnten in der Zukunft dazu beitragen, Maßnahmen gegen Luftverschmutzung zu bestärken (z.B. die Förderung und Verpflichtung zu Elektro-Fahrzeugen).
Lu, J. G., Lee, J. J., Gino, F., & Galinsky, A. D. (2018). Polluted Morality: Air Pollution Predicts Criminal Activity and Unethical Behavior. Psychological Science, 29, 340–355. doi: 10.1177/0956797617735807
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