Mächtig verzerrter Eindruck

- David J. Grüning –

Während bei Personen in relativ machtlosen Positionen von negativen Verhaltensweisen auf negative Persönlichkeits­eigenschaften geschlossen wird, scheint das bei Personen ohne ein wahrgenommenes „Machtdefizit“ nicht der Fall zu sein.

Macht spielte schon in der frühen Zeit menschlicher Geschichte eine große Rolle und tut dies auch heute noch. Mächtigen scheinen alle Türen offen zu stehen, während diese Möglichkeiten Personen in machtlosen Positionen eher verschlossen bleiben. Wie wir Menschen in unterschiedlichen Machtpositionen wahrnehmen, ist dabei auch entscheidend. Eine portugiesische Forschungs­gruppe beschäftigte sich konkret mit der Frage, ob das Ausmaß an Macht beeinflusst, welche Persönlichkeits­eigenschaften Beobachtende einer Person nach gezeigten Verhaltensweisen zuschreiben – und ob es hierbei zu Verzerrungen kommt, inwiefern auf positive oder negative Eigenschaften geschlossen wird. Dies untersuchten die Forschenden in drei Studien.

Beispielsweise sollten sich die Teilnehmenden in einer Studie Informationen über ein Unternehmen merken. Es wurden verschiedene Akteur*innen vorgestellt, um unterschiedliche Macht­verhältnisse innerhalb des Unternehmens sichtbar zu machen. Den Teilnehmenden wurden dann Verhaltensbeschreibungen gepaart mit Fotos von männlichen Gesichtern präsentiert. Sie sollten sich diese Paare merken. Die beschriebenen Verhaltensweisen waren entweder negativ, z.B. „hat jede*n mit seiner Geschichte zum Gähnen gebracht“, oder positiv, z.B. „hat eine gefundene Brieftasche zur Polizei gebracht“. Entscheidend war zudem, dass variiert wurde, wie viel Macht die Personen auf den Fotos hatten, indem ihre  Jobbezeichnung mit präsentiert wurde: „Manager“ für viel Macht, „Beschäftigter“ für wenig Macht, oder  „Besucher“ als relativ neutraler Vergleich. Danach wurden die gleichen Fotos noch einmal präsentiert. Diesmal allerdings zusammen mit einer positiven oder negativen Persönlichkeits­eigenschaft, z.B. „ehrlich“ oder „langweilig“, statt einer Verhaltensbeschreibung. Die Teilnehmenden sollten nun beurteilen, wie sehr die präsentierte Persönlichkeits­eigenschaft zu der gezeigten Person passte.

Bei Personen mit viel Macht und auch bei der neutralen Stellung schlossen die Teilnehmenden durch das zuvor präsentierte positive Verhalten („Brieftasche zur Polizei“) auf positive Persönlichkeits­eigenschaften („ehrlich“), nicht jedoch von negativem Verhalten („zum Gähnen gebracht“) auf negative Persönlichkeits­eigenschaften („langweilig“). Sowohl der Manger als auch der Besucher wurden also beispielsweise als ehrlich, aber nicht als langweilig eingeschätzt. Bei Personen mit wenig Macht dagegen schlossen die Versuchspersonen sowohl von positivem Verhalten auf positive Persönlichkeits­eigenschaften als auch von negativem Verhalten auf negative Persönlichkeits­eigenschaften. Das heißt, der Beschäftigte wurde als ehrlich aber auch als langweilig eingeschätzt. Diese Verzerrung in der Zuschreibung negativer Persönlichkeits­eigenschaften zeigte sich über verschiedene negative Eigenschaften hinweg.

Das Phänomen könnte ein Grund dafür sein, dass es Personen in relativ machtlosen Stellungen schwieriger haben können, während Personen ohne Machtdefizit offenbar bei Fehltritten von einer Art wohlwollenden Verzerrung profitieren – von negativem Verhalten wird bei ihnen weniger auf Eigenschaften der Person geschlossen. Ein Bewusstsein für diese Verzerrung zu haben, wäre damit ein entscheidender Schritt, um ihr entgegenzuwirken. Weiterhin sollte man im Kopf behalten, dass Macht und Machtlosigkeit ihre Wurzeln sowohl in der Situation als auch in unserer eigenen Wahrnehmung schlagen können.

 

Orghian, D., de Almeida, F., Jacinto, S., Garcia-Marques, L., & Santos, A. S. (2019). How your power affects my impression of you. Personality and Social Psychology Bulletin, 45(4), 495–509.doi.org/10.1177/0146167218788558

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Janin Rössel¹, Mona Salwender 

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